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Mobiles Impfen im Kulturhaus
Im Süden Thüringens ist die Quote besonders niedrig. In der Aktionswoche soll sich das ändern
Es ist selbstverständlich kein Zufall, dass in Thüringen die Impf-Aktionswoche ganz im Süden beginnt. Denn dort, in den Landkreisen Hildburghausen, Sonneberg und Schmalkalden-Meiningen, ist die Corona-Impfquote besonders niedrig. Was wirklich etwas heißen will in einem Bundesland, in dem auch insgesamt deutlich weniger Menschen geimpft sind als in anderen Regionen Deutschlands.
Also steht am Dienstag ein mobiles Impfteam im Kulturhaus in Gießübel. In dem 500-Einwohner-Dorf am Rande von Hildburghausen ist die Aktion auf zwei Stunden ausgerichtet. Sie ist Teil der bis Sonntag laufenden bundesweiten Aktionswoche unter dem Motto HierWirdGeimpft, zu der Bund und Länder gemeinsam aufgerufen haben. An möglichst vielen Orten sollen »einfach wahrzunehmende Impfangebote gemacht werden«, wie es vom Bundesarbeitsministerium heißt. »Durch Impfaktionen in Begegnungsstätten wie Gemeinde-, Kultur- und Bürgerhäusern oder Volkshochschulen, bei Veranstaltungen und Volksfesten setzen wir die Hürden für eine Corona-Schutzimpfung so niedrig wie möglich«, sagte Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke). »Ich kann nur immer wieder dazu aufrufen, diese Angebote auch zu nutzen.« Die Impfung sei der beste Schutz vor einer schweren Erkrankung durch das Coronavirus.
Kurz nach der Aktion in Gießübel stehen die Männer und Frauen dann zwei Stunden lang im Schützenhaus in Themar, das zum gleichen Landkreis gehört und in dem in den vergangenen Jahren immer wieder allerlei schwierige Missionen zu beobachten waren. Es ist genau jenes Schützenhaus, in dem Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, schon mehrere Veranstaltungen organisiert hatten, um den braunen Geist aus Themar zu vertreiben, der in dem Städtchen gegenwärtig ist - Stichwort Rechtsrockkonzerte. Und man ahnt: Die Sympathien für ganz rechts zu verjagen, die hier so viele in ihren Köpfen tragen, wird ähnlich schwierig, wie in dieser Gegend ganz viele Impfdosen zu verabreichen - trotz der mahnenden Worte der Gesundheitsministerin, die freilich nicht die einzigen zur Impfwoche sind.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat diese genauso gefunden wie seine Chefin, Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU), die sich unmittelbar vor Beginn der Aktionswoche auch noch einmal mit einem Impfappell zu Wort gemeldet hatte. In Thüringen hatte sogar Ulrich Neymeyr, Bischof des Bistums Erfurt, am Montag erneut für Schutzimpfungen gegen Covid-19 plädiert. »Ich selbst habe die Impfungen erhalten, sobald ich an der Reihe war«, sagte Neymeyr. Er rät denen, die Bedenken gegen die Impfung haben, gleichzeitig, »die Beipackzettel der Medikamente zu lesen, die sie einnehmen«. Alle könnten Nebenwirkungen haben, die Einnahme keines Medikaments sei risikofrei. »Aber der Nutzen überwiegt in den allermeisten Fällen doch bei Weitem und kommt, besonders wenn es um Covid-19 geht, nicht nur den Geimpften, sondern allen Menschen zugute.«
Doch neben den Zahlen zeigen vor allem Unterhaltungen mit Corona-Skeptikern und -Leugnern - Gespräche im Sinne eines Austauschs von Argumenten sind das ja oft nicht - immer deutlicher, dass Aktionswochen und Ähnliches Grenzen haben. Und dass diese vielleicht schon erreicht sind. Dass vielleicht doch nur weiterer Druck auf Ungeimpfte dazu führen kann, dass die Impfquote in Thüringen, im Osten und auch bundesweit noch einmal signifikant steigt.
In Zahlen sieht das so aus: Im Landkreis Hildburghausen sind bislang nach Angaben der Landesregierung nur etwa 41 Prozent der Menschen vollständig gegen Covid-19 geimpft. In Sonneberg und Schmalkalden-Meiningen sind es jeweils ungefähr 50 Prozent. Zum Thüringer Vergleich: In den Landkreisen Nordhausen, Eichsfeld und den Städten Erfurt und Weimar liegt die Quote bei 59 bis 64 Prozent.
Seit Wochen verändern sich diese Werte kaum noch. Weshalb nach Angaben des Robert-Koch-Instituts - auf Länderebene betrachtet - nur in Brandenburg und Sachsen noch weniger Menschen als in Thüringen bereits einen vollständigen Corona-Impfschutz haben. Ebenso wie seit Wochen sichtbar wird, dass damit die Impfquote ausgerechnet in jenen Regionen Thüringens besonders niedrig ist, wo das Coronavirus während der zweiten und dritten Welle besonders hart zugeschlagen hatte. Wo Kommunalpolitiker immer wieder feststellen, dass viele Menschen das Virus und die Schutzmaßnahmen dagegen nicht ernst nehmen. Wo politisch rechte und andere demokratiezersetzende Einstellungen ausweislich vieler Wahlergebnisse aus den vergangenen Jahren besonders weit verbreitet sind.
In Unterhaltungen lassen Corona-Skeptiker und -Leugner keinen Zweifel an ihrer starren Haltung in Sachen Impfung. Wie etwa ein Mann, der vor ein paar Wochen in einem Waldstück von Erfurt zu erklären versuchte, warum er weder an die Gefährlichkeit von Corona noch an den Sinn der Corona-Beschränkungen oder der -Impfungen glaubt. Viel schimpfte er dabei über »die Politik« und darüber, dass das Virus »nur eine Grippe« sei. All das gipfelte dann in dieser Aussage: Die meisten der derzeit noch Ungeimpften würden sich freiwillig nicht impfen lassen, »schon aus Prinzip nicht«.
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