- Wirtschaft und Umwelt
- Tarifkonflikt bei der Bahn
GDL und Bahn einigen sich
Mit Unterstützung zweier Ministerpräsidenten wird Tarifkonflikt beigelegt
»Das war keine Schlichtung, sondern eher Moderation«, machte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf Schönwetter in Bezug auf die letztlich erfolgreichen Verhandlungen zwischen GDL und Deutscher Bahn. Bei der Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin, bei der die Ergebnisse der Einigung vorgestellt wurden, war neben GDL-Chef Claus Weselsky und Bahn-Vorstand Martin Seiler auch noch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zugegen. Die beiden Politiker hatten auch auf Drängen der Bundesregierung, wie sie einräumten, zehn Tage lang die Gespräche zwischen Weselsky und Seiler begleitet. Weil zeigte sich positiv überrascht, wie »konstruktiv und vertrauensbasiert« die Gespräche dann doch verlaufen seien.
An deren Ende stehen eine Lohnerhöhung in zwei Stufen und zwei Corona-Prämien. Konkret steigen die Bezüge zum 1. Dezember 2021 zunächst um 1,5 Prozent und am 1. März 2023 noch mal um weitere 1,8 Prozent. Am 1. Dezember erhalten die Beschäftigten außerdem je nach Lohngruppe eine Corona-Prämie von bis zu 600 Euro, am 1. März 2022 soll eine weitere Corona-Prämie von einheitlich 400 Euro hinzukommen. Die Laufzeit des Tarifabschlusses gilt für 32 Monate.
Der wohl wichtigste Verhandlungspunkt war, dass die GDL in die geplante Umstrukturierung der betrieblichen Altersvorsorge einwilligte. Es hieß, dass das bisherige System der Zusatzrente demnach ab 2022 nur für Bestands-Mitarbeiter fortgesetzt wird. Dazu kommt, dass die GDL erstmals neben dem Zugpersonal auch Tarifverträge für Mitarbeitende in Werkstätten und in der Verwaltung abschließt.
Mit dem Tarifabschluss einigten sich die Deutsche Bahn und die GDL zudem auf Regelungen, wie mit unterschiedlichen Tarifverträgen in den Betrieben des DB-Konzerns umgegangen wird. Hier kommt das Tarifeinheitsgesetz zur Anwendung, und die GDL ist bereit, einem notariellen Verfahren zur Feststellung der Mehrheiten in den betreffenden 71 Bahn-Betrieben zuzustimmen.
Einen Kompromiss fanden Deutsche Bahn und GDL ebenfalls bei dem strittigen Thema, in welchen Betrieben mit der GDL Tarifverträge abgeschlossen werden. Die GDL bleibt in ihren bisherigen Betrieben vertreten. Eine Ausdehnung darüber hinaus findet mit diesem Tarifabschluss nicht statt. In den bisherigen Betrieben kommen Berufsgruppen hinzu, so zum Beispiel ebenjene Werkstattmitarbeiter*innen. Die Tarifverträge der GDL kommen in ihren Mehrheitsbetrieben – mit heutigem Stand sind das 16 der 71 – zur Anwendung.
Trotz aller Einigung gab sich GDL-Chef Weselsky weiter gewohnt kämpferisch. »Tariffrieden heißt nicht, dass plötzlich alles gut war, was passiert ist«, spielte er unter anderem auf die öffentliche Stimmungsmache gegen den Arbeitskampf der Eisenbahner*innen in den vergangenen Wochen an. »Man hatte zeitweise das Gefühl, dass sich dieses Land komplett gegen die Eisenbahner und Eisenbahnerinnen stellt«, sagte er bitter. In diesem Kontext betonte der GDL-Chef auch die Grundsätzlichkeit des nun erst mal beigelegten Arbeitskampfes der vergangenen Wochen. »Wir haben eine Diskussion über das ganze Thema Bahn angestoßen«, gab sich Weselsky überzeugt. Der Konzern habe 1994 mit seiner Entscheidung zu Privatisierung und Börsengang eine bestimmte Richtung gewählt. »Ich rede hier nicht von Verstaatlichung, aber man muss dafür sorgen, dass diese privatisierte Bahn ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllt«, machte er seine Sichtweise klar.
Dass nach der Einigung bereits vor dem nächsten Konflikt sein kann, wurde unterdessen im Laufe des Donnerstags deutlich. Während Bahn-Vorstand Seiler auf der Pressekonferenz in Berlin noch die »große Solidarität« der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und das mit dieser 2020 geschlossene »Bündnis für unsere Bahn« lobte, kündigte jene größere Bahn-Gewerkschaft an, dem Unternehmen ihrerseits einen Forderungskatalog vorzulegen. »Wir bereiten uns auf Verhandlungen vor, aber auch auf Maßnahmen bis hin zum Arbeitskampf«, sagte der EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel dpa zufolge am Donnerstag. Die EVG hatte schon im vergangenen Jahr eine Einigung mit der Bahn erzielt, diese beinhaltet aber ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass eine andere Gewerkschaft mehr herausholt.
Zudem kritisierte Hommel scharf, dass an den Verhandlungen mit der GDL auch die beiden Ministerpräsidenten Günther und Weil beteiligt waren. Eine solche Einmischung der Politik sei »ein Schlag ins Kontor der Tarifautonomie«. Damit sei dem im vergangenen Jahr mit dem Bund und dem Unternehmen geschlossenen »Bündnis für unsere Bahn« die Geschäftsgrundlage entzogen worden, so Hommel.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.