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Die Kehrtwende
SPD-Vize Kevin Kühnert will beim Berliner Volksentscheid nicht für Vergesellschaftung von Wohnraum stimmen
2019 wirbelte der damalige Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert die öffentliche Debatte in Deutschland gehörig durcheinander. »Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten«, sagte er im Mai jenen Jahres in einem Interview mit der Wochenzeitung »Die Zeit«. »Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt.« Selbst über die Kollektivierung von BMW und die »Überwindung des Kapitalismus« dachte er öffentlich nach. Damit erfreute er viele Linke über die Jusos hinaus und unterstützte indirekt auch die damals gestartete Berliner Initiative »Deutsche Wohnen & Co Enteignen« (DWE), die einen Volksentscheid für die Vergesellschaftung von Wohnraum anstrebte.
Nun, fast zweieinhalb Jahre später, ist der 32-jährige Kühnert stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und im Vorstand verantwortlich für den Bereich Immobilien, Bauen und Wohnen. Hunderte Aktive der DWE-Kampagne haben sich derweil für den Volksentscheid abgemüht und die Wahlmöglichkeit parallel zur Abgeordnetenhauswahl am 26. September erkämpft. In einem Podcast der IG Metall Berlin erklärte Kühnert nun zu der Frage, wie er abstimmen wolle: »Ich werde mit Nein stimmen.« Zu wenig präzise sei ihm der Volksentscheid, die als Grenzwert angesetzten 3000 Wohnungen als Bedingung der Vergesellschaftung zu willkürlich.
Viele Linke dürften in dieser Kehrwende des aufgestiegenen Nachwuchspolitikers ihre alte Kritik an Sozialdemokraten bestätigt sehen. Um Karriere zu machen, lege man eben irgendwann seine alten Ideale ab und werde pragmatisch, so das Klischee und oft genug auch die Realität. »Gerhard Schröder und Olaf Scholz haben wenigstens viele Jahre gebraucht, um vom Juso-Marxisten zum Neoliberalen zu werden. Kevin Kühnert durchläuft diese Entwicklung im Superturbo«, schrieb entsprechend ein Nutzer auf Twitter.
Bei der DWE-Kampagne nimmt man es gelassen. »Schade. Aber gut, dass die SPD-Basis sich für die Vergesellschaftung ausspricht«, hieß es in einem Kommentar. Nach einer aktuellen Civey-Umfrage würden 37,8 Prozent der Berliner SPD-Basis bei der Volksabstimmung »sicher« und 17,5 Prozent »eher« mit Ja abstimmen.
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