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Aus Schwarz mach Weiß
Deutschland gilt als Geldwäscheparadies. Eine Reihe neuer Gesetze soll das nun ändern
Nicht für alles und jedes ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz zuständig. Das sieht der Kanzlerkandidat der SPD auch so. Beispiel Geldwäsche. Sie ist der erfolgreiche Versuch, in der grauen, illegalen Welt erworbenes Vermögen in die weiße, legale Wirtschaft einzuführen. Dabei kann das Schwarzgeld aus eher harmlosen Freundschaftsdiensten, aus schwerkriminellen Geschäften mit Drogen, Erpressung oder dem Schmuggeln von Flüchtlingen nach Europa kommen oder der Korruption in Afghanistan entstammen. Europol geht davon aus, dass durch Geldwäsche ein finanzieller Schaden in Höhe von einem Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung entsteht. Ein neues Gesetz soll nun in Deutschland dafür sorgen, dem Problem Herr zu werden.
International gilt Deutschland als ein guter Ort zur Geldwäsche. Laut einer Schätzung der Universität Utrecht aus dem Jahr 2013 geht es um jährlich 100 Milliarden Euro. Für Weißwäscher gibt es hier zu Lande viele Möglichkeiten. Der Klassiker ist der Kauf einer teuren Immobilie, die bar bezahlt wird. Aktuell gilt die Eröffnung von Restaurants und Barber-Shops als besonders lukrativ, da bei Dienstleistungen die Nachverfolgung durch Behörden besonders schwierig wird. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Steuersündern müssen die Täter ihre Einnahmen buchhalterisch zwar nach oben schrauben, was ein paar Euro Steuern kostet. Dafür gilt der »Unternehmergewinn« fortan aber als weißgewaschen.
Zu wenig Personal
In die Auseinandersetzung mit der Geldwäsche sind viele Institutionen eingebunden: Finanzämter vor Ort und das Bundeskriminalamt in Wiesbaden, Gewerbeämter in der Kreisstadt oder die Staatsanwaltschaft in Osnabrück, die einem CDU-Landesminister untersteht. Sie erzielte kürzlich eine gewisse bundesweite Bekanntheit mit Dursuchungsaktionen im Bundesjustizministerium von Christine Lambrecht (SPD) und in Scholz' Finanzministerium. Die Untersuchungen richten sich offenbar gegen die Geldwäscheeinheit FIU. Dort sollen Meldungen von Banken nicht angemessen bearbeitet worden sein. Scholz kontert die veröffentlichte Empörung, er habe für viele neue Stellen, einen neuen Chef und eine effektivere Arbeitsweise gesorgt.
Die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, kurz FIU (Financial Intelligence Unit), war in Reaktion auf die Anschläge am 11. September 2001 gegründet worden und ursprünglich beim Bundeskriminalamt angesiedelt. 2017 übernahm der Zoll, der seit dem Fall der europäischen Grenzen nach neuen Aufgaben suchte. Im Mai dieses Jahres wurde die FIU dann zu einer eigenen Direktion innerhalb der Bundeszollverwaltung aufgewertet.
Das mag sich Scholz zurecht als Leistung anheften. Dahinter steht aber auch die Kritik von Fahndern und Gewerkschaften, dass die FIU hoffnungslos unterbesetzt sei: 2018, Scholz war gerade ins Amt gekommen, mussten dort 165 Beschäftigte die Rekordzahl von 77 000 Verdachtsmeldungen abarbeiten. Fast alle kamen von Banken und Versicherungen. Meldungen aus der Immobilien- und anderen »bargeldintensiven« Branchen wie dem Autohandel waren noch kaum zu finden.
Doch seit dem vergangenen Jahr tut sich mehr. So gilt seit Anfang 2020 die Bonpflicht - bei allen Vorgängen an elektronischen Kassen müssen Belege ausgegeben werden, um den Steuerbetrug einzudämmen. Zudem hat die Justiz in vielen Bundesländern »Task Forces« gebildet, die sich um Verdachtsfälle im Immobiliengeschäft kümmern. Dieser Bereich hat eine besondere Bedeutung - laut der Nationalen Risikoanalyse des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2019 weist der Immobiliensektor in Deutschland ein hohes Geldwäscherisiko auf. Aufgeweckt gibt sich ebenfalls die Finanzaufsicht Bafin. Sie hat ein »Referat Intensivbetreuung« für den Bereich Geldwäsche geschaffen. Risikobehaftete Kreditinstitute sollen »in enge Manndeckung« genommen werden.
Hinter den Maßnahmen von Politik und Behörden steht eine Gesetzesänderung. Strengere Meldevorschriften für Immobilienmakler, Notare, Gold- und Autohändler und Auktionshäuser sollen Geldwäsche und Terrorfinanzierung erschweren. Dieses Ziel verfolgt die fünfte Geldwäscherichtlinie der EU, die seit Juni in deutsches Recht umgesetzt ist.
Das bisherige Prinzip des »Know your Customer« und damit der Identifizierung des Kunden wird weiter im Vordergrund stehen. Doch vor allem der boomende Immobilienmarkt gerät nun stärker in den Fokus. So gelten verschärfte Regeln bei der Vermittlung von Mietverträgen.
Flut von Meldungen
Seit August greift nun auch eine neue Grenze für Bargeld-Einzahlungen bei Banken: Wer mehr als 10 000 Euro bar einzahlen will, muss für das Geld einen Herkunftsnachweis vorlegen. Dies gilt auch bei Einzahlungen in mehreren Teilbeträgen, wenn die Summe 10 000 Euro überschreitet. Neu ist auch, dass Firmen ein eigenes Risikomanagement vorzuhalten haben. Ein Transparenzregister soll es zudem schwerer machen, die Besitzverhältnisse von Unternehmen über Strohmänner zu verschleiern. Ferner sieht das Geldwäschegesetz (GwG) nun vor, dass Anbieter, die Kryptowährungen wie Bitcoin verwahren, im Verdachtsfall Meldung bei der entsprechenden Behörde machen - und das ist die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen FIU beim Zoll.
An dieser Stelle beißt sich die Katze gewissermaßen in den Schwanz: Im Jahr 2020 sind bei der FIU insgesamt 144 005 Verdachtsmeldungen eingegangen, die rund 481 000 verdächtige Transaktionen nannten. Eine Steigerung um rund 25 Prozent, heißt es im FIU-Jahresbericht. Die Reform des Geldwäschegesetzes dürfte die Zahlen weiter rasant steigen lassen. Dies schon allein deshalb, weil Banken lieber zu viele Fälle als zu wenige melden. Mit der Prüfung dieser stark steigenden Fallzahl ist nun mit der FIU die Behörde beauftragt, deren Unterbesetzung seit langem beklagt wird.
Immerhin wurde die FIU in dieser Legislaturperiode »personell massiv gestärkt und wächst weiter«, erklärt ein Sprecher des Zolls. Sie wuchs seither »sukzessive« auf 540 Beschäftigte auf. Eine weitere Personalverstärkung auf rund 720 Beschäftigte habe der Haushaltsausschuss des Bundestages auf Initiative von Scholz’ Finanzministerium vorgesehen.
Um der Meldeflut Herr zu werden, so Leiter Christof Schulte, verstärkte man »die risikobasierte Ausrichtung der Arbeitsweise«. Das entspricht übrigens der Arbeitsweise des Zolls auch bei Im- und Exporten. Es wird also nach vorgegebenen Kriterien gesiebt: Ein Zahlungsstrom eines unbekannten Weißrussen wird dann möglicherweise eher nachverfolgt als ein solcher eines mittelständischen Unternehmens aus einer bayerischen Kleinstadt.
Zuletzt wurde lediglich jede sechste Verdachtsmeldung von der FIU an Staatsanwaltschaft oder Polizei weitergeleitet. Früher war dieser Anteil deutlich höher - und verstopfte die Ermittlungskapazitäten der Behörden. Transparency International fordert dennoch viel größere Ermittlungskapazitäten auf allen Ebenen. »Wir müssen die Behörden endlich rechtlich, strukturell und personell in die Lage versetzen, komplexe Geldwäsche effektiv zu bekämpfen«, teilte die Organisation mit.
Der Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi lobte die Reform des Geldwäschegesetzes seinerzeit als eine Verbesserung. Es müsse aber mehr geschehen. Gegen die »Geldwäsche-Party in Betongold« sei ein umfassendes bundesweites zentrales Immobilienregister notwendig - eine Forderung, welche auch die Grünen schon lange erheben. Und auch die Bundesbank hat mehrfach die undurchsichtige Datenlage auf dem Immobilienmarkt kritisiert. Eine Initiative des Landes Berlin wurde im März vom Bundesrat abgeschmettert. Und auch die Bundesregierung blockt mit dem Argument: »Die Einführung eines Registers wäre mit erheblichen Kosten und zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden und es hat bislang noch keinerlei Folgenabschätzung dazu gegeben.«
Flickenteppich Europa
In einigen Europäischen Ländern gibt es ein solches zentrales Immobilienregister. Europa bleibt derweil noch ein Flickenteppich, mit unterschiedlich scharfen Regelungen. Dies zeigt die lange Liste der Skandale, in die Europas Großbanken wie ABN Amro, ING oder Deutsche Bank verwickelt sind. Ende Juli erhöhte die EU-Kommission den Druck, indem sie ein Regulierungs-Paket vorstellte. Es besteht gleich aus vier Gesetzgebungsvorschlägen: Die wichtigste geplante Maßnahme ist die Schaffung einer neuen EU-Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche bis zum Jahr 2024. Sie soll für einheitliche Standards in allen Staaten der Europäischen Union sorgen.
Die Initiative der EU-Kommission in Brüssel ist eine Reaktion auf die Vorgänge bei der Danske Bank, bei der verdächtige Geldtransaktionen im Volumen von 200 Milliarden Euro aufgedeckt wurden. Die dänische Bank arbeitet derzeit den massiven Geldwäscheskandal auf, der von ihrer Filiale in Estland ausging und die gesamte Bankenbranche erschüttert hat. Auch die Deutsche Bank ist in den Skandal verstrickt, denn sie war jahrelang als Korrespondenzbank für die Danske Bank tätig. Der dubiose Zusammenbruch des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard hat den politischen Handlungsdruck noch weiter verschärft.
Dabei geht es um weit mehr als nur um Geld. Die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness: »Geldwäsche ist eine klare und reale Bedrohung für Bürger, demokratische Institutionen und das Finanzsystem.« Man dürfe das Ausmaß des Problems nicht unterschätzen. Die Gesetzgebungsvorschläge werden nun im Europäischen Parlament und im Rat erörtert. Ob Olaf Scholz nach einer eventuellen Einigung dann Kanzler ist, wird sich zeigen.
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