- Politik
- Nach der Bundestagswahl
AfD ist geschwächt, aber nicht gebändigt
Soziologe plädiert dafür, die AfD bei Posten und Gremien im Bundestag konsequent auszugrenzen
Normalerweise sind AfD-Politiker*innen um keine Gelegenheit verlegen, ihre Sicht auf die Dinge möglichst rasch über die digitalen Kanäle zu verbreiten. Am Morgen nach dem Wahlabend zeigte sich allerdings in den ersten öffentlichen Äußerungen, dass das Ergebnis dieser Bundestagswahl das Machtgefüge innerhalb der AfD weiter verschoben haben dürfte. Parteichef Jörg Meuthen teilte auf Facebook zunächst nur kurz und knapp mit, er verzichte nach dieser »sehr langen Wahlnacht« auf eine schnelle Wahlanalyse. Auch am Mittag in der Berliner Bundespressekonferenz gab er sich betont zurückhaltend und kündigte als einzige konkrete Konsequenz eine Nachwahlbefragung an.
Im starken Kontrast dazu gab sich sein parteiinterner Konkurrent Björn Höcke völlig seinem Siegestaumel hin. »Der Thüringer Weg setzt sich durch«, jubelte der Faschist in einer ausführlichen Stellungnahme. Oberflächlich gibt ihm die Statistik recht: Im Freistaat wird die AfD mit 24 Prozent der Zweitstimmen knapp vor der SPD stärkste Partei und holt sogar vier Direktmandate.
Bei genauer Betrachtung ist dies aber die einzige Erfolgsmeldung aus AfD-Sicht. Nur in Thüringen kann die Partei ihr Ergebnis im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 leicht verbessern. In 13 von 16 Bundesländern verliert die AfD dagegen bei den Zweitstimmen, lediglich in Sachsen-Anhalt und im Saarland bleibt sie stabil. Selbst in Sachsen, wo die Partei mit 24,6 Prozent stärkste Partei wird, muss in einer Analyse ein großes »Ja, aber...« folgen. Ähnlich dem Bundesergebnis büßt die AfD im Freistaat mehr als zwei Prozentpunkte an Zustimmung ein, vom Einbruch der CDU um fast zehn Prozentpunkte profitiert die Rechtsaußenpartei nicht.
Auch das Höcke mit Jens Maier einen seiner wichtigsten Unterstützer verliert, weil dieser weder über die Landesliste noch über ein Direktmandat in den Bundestag einzieht, erwähnt der Thüringer AfD-Politiker nicht. Gleiches gilt für Siegbert Droese, ebenfalls ein Anhänger des formal aufgelösten völkisch-nationalistischen »Flügels«. Die rechtsextreme Parteiströmung wird ironischerweise Opfer ihres eigenen Erfolgs: Weil die AfD in Sachsen zehn ihrer insgesamt 16 Direktmandate errang, ihr gleichzeitig laut Zweistimmenergebnis im Freistaat aber nur acht Sitze zustehen, kommt die Landesliste nicht zum Zug. Stattdessen ziehen nun eine Reihe von neuen Mandatsträger*innen in den Bundestag ein, die zum Teil in innerparteilicher Opposition zum »Flügel« stehen.
Höcke ficht das zumindest nach außen hin nicht an. »Dort, wo die AfD sich glaubhaft als echte Alternative zu den anderen Parteien präsentieren konnte, war sie überaus erfolgreich«, schreibt der Faschist in seiner Wahlanalyse. Tatsächlich zeigte die Bundestagswahl, dass es bei den AfD-Ergebnissen nach wie vor ein starkes Ost-West-Gefälle gibt. So wäre die Partei in 21 westdeutschen Wahlkreisen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Wahr ist aber ebenso: In Wahlkreisen wie dem bayerischen Deggendorf (14,1 Prozent) oder Straubing (13,2 Prozent) erreicht die AfD trotz Verlusten weiterhin zweistellige Ergebnisse. Das schlechteste ostdeutsche Landesergebnis fuhr die Partei im Vergleich dazu mit 18 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern ein, wohingegen ihr bestes Landesergebnis in Westdeutschland mit nur zehn Prozent im Saarland zu finden ist.
Die weitestgehend vom »Flügel« dominierten Ostverbände dürften den Wahlausgang daher als Bestätigung ihres völkischen Kurses kommunizieren und als Druckmittel im innerparteilichen Machtkampf nutzen.
Deutlich wurde am Montag in der Bundespressekonferenz die vom »Flügel« unterstützte Spitzenkandidatin Alice Weidel. Personaldebatten im Wahlkampf seien ein Problem gewesen, das in der Nachbereitung der Bundestagswahl ein »ganz großes Thema« sein müsse, wobei Konsequenzen spätestens auf dem Bundesparteitag Mitte Dezember in Wiesbaden gezogen würden. Bei der geplanten Versammlung wählt die AfD turnusgemäß einen neuen Bundesvorstand, ob Meuthen erneut kandidiert, ist unklar.
Fest im Sattel sitzt der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla. Der Görlitzer Malermeister holte mit seiner Inszenierung als ehrlicher Handwerker sowohl das stärkste AfD-Direktwahlergebnis (35,8 Prozent) als auch auch prozentual die meisten Zweitstimmen (32,5 Prozent). Daraus leitet der 46-Jährige wenig überraschend einen erweiterten Führungsanspruch ab: Chrupalla und Weidel wollen nach ihrer gemeinsamen Spitzenkandidatur nun auch die Führung in der neuen Bundestagsfraktion übernehmen. Die Baden-Württembergerin hatte diesen Posten bereits in der nun endenden Legislatur inne, der Sachse würde im Fall seiner Wahl auf Alexander Gauland folgen, der zwar ebenfalls wieder dem Hohen Haus angehört, aus Altersgründen aber auf eine formale Schlüsselposition in der Fraktion verzichten will.
Die nun 83 Abgeordneten zusammenzuhalten, dürfte eine komplizierte Aufgabe sein, wie ein Blick zurück zeigt: Aus der nach der Wahl 2017 zunächst aus 92 Mandatsträger*innen bestehenden Fraktion stiegen nach und nach insgesamt acht Abgeordnete aus. Entscheidend dürfte daher auch sein, inwieweit die AfD im neuen Bundestag ihr Personal durch wichtige Posten im Parlamentsbetrieb zufriedenstellen kann.
Berliner AfD halbiert sich nahezu
Die Stimmanteile für die rechte Partei bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus sind von 14,2 auf acht Prozent gefallen
Allerdings plädiert der Rechtsextremismusexperte Matthias Quent dafür, die AfD aus bestimmten Posten und Gremien künftig herauszuhalten. »Ein Großteil der Bevölkerung - das wissen wir aus Umfragen - will mit der AfD nichts zu tun haben und erwartet ein klares Vorgehen gegen Rechtsextremismus«, so der Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena. Da es sich bei der AfD um »keine normale, demokratische Partei« handelte, dürfe sich dies »auch in symbolischen Akten, im politischen und zivilgesellschaftlichen Handeln widerspiegeln. Das ist Teil einer Debatte um soziale Normen«, fordert Quent.
In der vergangenen Legislatur hatten sich die demokratischen Fraktionen im Bundestag allerdings auf keine einheitliche Linie im Umgang mit der AfD verständigen können. Einerseits gelang es der Rechtsaußenfraktion bis zum Schluss nicht, eine Vertretung ins Bundestagspräsidium zu entsenden, da alle von ihr aufgestellten Kandidat*innen im Plenum keine Mehrheit erhielten. Andererseits kamen AfD-Vertreter*innen fast geräuschlos in wichtige Positionen, etwa Peter Boehringer an den Vorsitz im Haushaltsausschuss.
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