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- Rad-WM Julian Alaphilippe
Aus Versehen Weltmeister
Frankreichs Radstar Julian Alaphilippe verteidigt eher unabsichtlich den WM-Titel
Vom Fluch des Regenbogens wusste schon so mancher Weltmeister zu berichten. Philippe Gilbert, 2012 erfolgreich, musste im Jahr darauf bis in den Monat September warten, ehe ihm glückte, als Träger des Regenbogentrikots ein Profirennen zu gewinnen. Es sollte auch das letzte Mal sein. Drei Wochen später gab der Belgier das Leibchen an den nachfolgenden Weltmeister Rui Costa aus Portugal weiter. In der Saison darauf gelangen Gilbert dann wieder wie gewohnt Siege: beim Amstel Gold Race etwa oder dem Pfeil von Brabant.
Gilbert ist nicht der einzige, dem im Regenbogentrikot weniger gelang als zuvor. Ob sein Nachfolger Rui Costa, der Italiener Alessandro Ballan (Weltmeister 2008) oder der arme Däne Mads Pedersen, der nach seinem Sieg 2019 wegen der pandemiebedingten Absagen ohnehin nur wenige Renngelegenheiten hatte - sie alle waren in der Saison, die auf den großen Coup folgte, weniger erfolgreich als davor oder danach.
Auch Peter Sagan, dreifacher Weltmeister, klagte zu seinen Regenbogenzeiten mehrfach, dass ihm dieses Leibchen Fesseln anlege: »Jeder sieht dich, wenn du antrittst, jeder folgt dir«, so beschrieb es der Slowake. Dem stets einem Scherz zugeneigten Burschen hätte man durchaus zugetraut, sich bei einem Rennen mal einer Tarnkappe zu bedienen. Er machte es nicht. Es ist schließlich auch vom Weltverband UCI mit Strafe belegt, bei einem Rennen nicht mit dem Weltmeistertrikot anzutreten.
Julian Alaphilippe gehörte vergangene Saison auch zu den Leidenden unterm Regenbogen. Die Saison des Franzosen als Misserfolg zu bezeichnen, wäre zwar ungerecht: Er schoss den Wallonischen Pfeil ab, gewann eine Etappe des Tirreno Adriatico und war auch zum Tourauftakt erfolgreich - mit einem Antritt, wie ihn nur Alaphilippe fahren kann. Im Vergleich zu früheren Jahren blieb seine Ausbeute aber mager.
»Das Trikot hat Kräfte gezehrt«, gestand er ein. »Wenn du stark bist und attackierst, will sich jeder mit dir messen. Das Regenbogentrikot sticht immer heraus. Und wenn du mal einen schwachen Tag in diesem Trikot hast, zerstören dich die anderen förmlich«, sagte der 29-Jährige.
Deshalb fuhr Alaphilippe auch mit dem erleichternden Gefühl zur WM nach Flandern, das Trikot jetzt wieder abgeben zu können. Zur eigenen Verblüffung wurde ihm am Sonntag aber ein nagelneues Exemplar überreicht. Denn erneut hatte er das WM-Rennen gewonnen. Sehr überzeugend sogar, mit einem Soloritt über 20 Kilometer nach einem wahren Feuerwerk der Attacken. Abgesprochen war das so offenbar nicht. Seinem Nationaltrainer Thomas Voeckler rief er im Ziel zu: »Wir haben uns nicht an den Plan gehalten, aber es hat trotzdem funktioniert.«
Jener Plan war eigentlich, dass Alaphilippes Angriffe das Favoritenfeld derart zermürben sollten, dass es erstens auf nur wenige Fahrer zusammenschmilzt, und dass zweitens im Kreise dieser Wenigen der spurtschnelle Teamgefährte Florian Senechal triumphieren sollte. »Ich habe Florian zugerufen, er solle sich schonen«, berichtete Alaphilippe. Dann aber verrichtete Frankreichs Nationalheld den Zermürbungsauftrag so gut, dass er ganz ungestört allein dem Ziel entgegenstreben konnte.
Ihm hatte offenbar auch Flügel verliehen, dass er ja gar nicht die Absicht hegte, um den Sieg zu fahren. Genau deshalb attackierte er so häufig, genau deshalb war sein letzter Antritt auch so wuchtig, dass ihm niemand mehr folgen konnte. Denn Alaphilippe dachte gar nicht an das Danach. Er dosierte nicht die Kräfte, sondern griff an, als gebe es keine 20 Kilometer mehr zu fahren. Und als gebe es kein Morgen.
Nun hat er es aber, das neue Morgen, das ihm wie ein Gestern scheinen dürfte. Wie es ihm im zweiten Jahr im Regenbogentrikot gehen werde, wurde er noch gefragt. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht«, sagte er und wirkte immer noch ein wenig verdattert. Mit den Problemen, die der Franzose jetzt hat, würden sich freilich viele andere Radfahrer gern herumplagen. Nun bleibt ihnen nur, dem neuen und alten Weltmeister das Siegen wieder ganz schwer zu machen.
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