- Berlin
- Sondierungsgespräche in Berlin
Rot-grün-rote Schnittmengen
Berliner SPD will neben Grünen und Linken auch mit CDU und FDP sondieren. Das finden nicht alle in der Partei gut
Die Einladung der SPD zur Sondierung ist bereits eingetroffen. Das bestätigten die Grünen am Dienstag. Demnach wollen sich die Verhandlungsgruppen der beiden Parteien bereits am kommenden Freitag zusammensetzen, um auszuloten, welche inhaltlichen Schnittmengen es für eine mögliche Koalition gibt. »Wir fangen am Freitag mit den Grünen an. Und dann mit den Linken. Also mit den bisherigen Koalitionspartnern«, sagte Co-Parteichef Raed Saleh am Dienstag im rbb-Inforadio. Für die SPD sollen neben der Wahlsiegerin Franziska Giffey Saleh sowie die drei Vize-Landesvorsitzenden an dem Gespräch teilnehmen, also Ina Czyborra, Iris Spranger und Andres Geisel.
Bei den Grünen bilden das Kernteam für die Verhandlungen die Spitzenkandidatin Bettina Jarasch und die beiden Landesvorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf. Die Fraktion der Grünen im Abgeordnetenhaus verständigte sich darüber hinaus am Dienstag darauf, dass Bettina Jarasch übergangsweise zur Fraktionsvorsitzenden ernannt wird. »Mit dieser Benennung unterstreicht die Grüne Fraktion das starke Verhandlungsmandat ihrer Frontfrau für die kommenden Sondierungsgespräche«, hieß es in einer Pressemitteilung. Der gewählte Vorstand bleibe ebenfalls bis auf Weiteres im Amt.
In der Berliner Linkspartei hatte der Vorstand nach nd-Informationen noch am Montagabend beschlossen, dass es Sondierungen mit der SPD geben soll. Zum Sondierungsteam sollen Spitzenkandidat Klaus Lederer, die Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Carsten Schatz sowie die Parteivorsitzende Katina Schubert gehören. Der Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer hatte nach der Wahl erklärt, dass die Abgeordnetenhauswahl am Sonntag gezeigt habe, wie »Berlin tickt«. Linke, Grüne und SPD würden sehr viel mehr »beieinander« liegen als die SPD mit CDU und FDP. Die SPD-Spitze hatte in den vergangenen Tagen immer wieder betont, dass es ihr darum gehe, dass möglichst viel aus dem sozialdemokratischen Programm in der kommenden Legislatur umgesetzt werden müsse.
»Die größten Schnittmengen zur SPD sind, dass beide Parteien die Investitionsoffensive fortsetzen wollen, den Schulbau, die Sanierung der Krankenhäuser und der Brücken«, sagt Tobias Schulze, der Vize-Landesvorsitzende der Linken, zu »nd« mit Blick auf die Gemeinsamkeiten von Sozialdemokraten und Linken. Es gehe darum, den großen Sanierungsstau weiter aufzulösen, was mit dem Beginn des »Jahrzehntes der Investitionen« angegangen wurde. Um das zu finanzieren, will Die Linke auch Corona-Hilfskredite einsetzen. Auch mit den Grünen sieht der Vize-Landesvorsitzende durchaus Schnittmengen. »Da kommen wir bei der Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs zusammen«, sagt Schulze, der bei den Linken so etwas wie ein Parteistratege ist und maßgeblich an der Kampagne und dem Programmentwurf mitgearbeitet hat. Sowohl Linke als auch Grüne seien für einen Ausbau der Tram und vor allem der S-Bahn, gibt Schulze zu bedenken. Ähnlich sehe es bei den Vorschlägen für eine zukünftige Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs über ein neues Tarifsystem aus.
Die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey dagegen lehnte bisher neue Finanzierungsvorschläge beispielsweise über eine »City-Maut« ab. Wenn man die »5 B’s« als Ausgangspunkt nimmt, mit denen Giffey im Wahlkampf als Schwerpunkte geworben hat, also »Bauen, Bildung, beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit«, gebe es sicherlich auch Überschneidungen zu CDU und FDP, gerade beim Thema Innere Sicherheit.
Dass die vergleichsweise besonders linke Berliner SPD ein solches bürgerliches Bündnis eingeht, scheint nach diesem Wahlausgang, bei dem die rot-rot-grünen Parteien insgesamt gestärkt wurden, fraglich. »Wir bleiben dabei, dass wir uns freuen, dass Franziska Giffey die neue Regierende Bürgermeisterin in Berlin wird«, sagt am Dienstag der Landesvorsitzende der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos), Peter Maaß, zu »nd«. »Wir bleiben aber auch dabei, dass wir als Jusos unsere politischen Ziele am besten in einer Koalition mit Rot-Grün-Rot verwirklich sehen«, erklärt der Juso-Landeschef. »Diese Koalition hat nicht fertig, es gab bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus keine Wechselstimmung in Berlin«, sagt Maaß, der insbesondere bei den Themen Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, der Rekommunalisierung sowie einer Ausbildungsplatzoffensive gemeinsame Ziele mit Grünen und Linken ausmacht. Um ihre Positionierung für Rot-Grün-Rot zu untermauern, verfasste der Jusos-Landesvorstand am Dienstag extra einen Beschluss. Darin wird eine Zusammenarbeit mit der CDU abgelehnt. Bereits vor der Wahl hatten sich die Jugendverbände von SPD, Grünen und Linken für eine Fortsetzung des Mitte-links-Bündnisses bei einer Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus ausgesprochen.
Wie die Jusos positionierten sich auch einige Kreisvorstände innerhalb der SPD. Der SPD-Kreisvorstand in Tempelhof-Schöneberg etwa forderte in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss, »für eine Fortführung des fortschrittlichen progressiven Bündnisses offene Verhandlungen mit Grünen und Linkspartei mit dem Ziel der Koalitionsbildung aufzunehmen«. Der Kreisvorstand Mitte sprach sich ebenfalls für eine Weiterführung der bisherigen Regierungskoalition aus. »Wir wollen die Koalition fortsetzen, wir machen das an inhaltlichen Schnittmengen wie bei der Regulierung der Mieten, der Verkehrswende, der Bildung und Forschung sowie bei der sozialen Teilhabe fest«, sagt der SPD-Kreisvorsitzende von Mitte, Yannick Haan, dieser Zeitung.
Der Co-Landesvorsitzende Raed Saleh kommentiert solche Aussagen mit den Worten: »Dass Kreise redeten, sei normal und gehöre in einer lebendigen Partei dazu.« Wichtig sei, dass man am Ende gemeinsam einen Vorschlag erarbeite. Offenbar bis zum 5. Dezember, da plant die SPD einen Parteitag, soll ein Koalitionsvertrag fertig verhandelt sein.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.