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Offene Stellen, geringe Löhne

Landtag debattiert Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Effektvoll ließ Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) den Landtag die Nachricht des Tages wissen. Die Debatte der Aktuellen Stunde habe sich so lang hingezogen, bis die Sperrfrist verstrichen sei, die für eine wichtige Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit gesetzt war. Diese lautet: Die Arbeitslosenquote ist auf 5,5 Prozent gesunken. »Damit sind wir wieder auf Vor-Corona-Niveau«, freute sich Steinbach. Mit Blick auf die Uhr fügte er hinzu: »Vor fünf Minuten hätte ich das noch nicht sagen dürfen.«

Laut Steinbach stimmen auch andere Parameter zuversichtlich. Die Kurzarbeit liege weit unter fünf Prozent, was ebenfalls für das Wiederaufleben der Wirtschaft spreche. Weniger günstig sehe es allerdings auf dem Ausbildungsmarkt aus. Mit 7300 abgeschlossenen Lehrverträgen gebe es 6,6 Prozent weniger als in der Zeit vor der Corona-Pandemie. Gar nicht zu reden von dem angepeilten Ziel, mindestens 10 000 Lehrstellen zu besetzen. Zurückgegangen sei die Zahl der jungen Menschen, die sich für einen Ausbildungsplatz interessieren. Das führte Steinbach unter anderem darauf zurück, dass die Berufsberatung an den Schulen selbst während der Lockdowns ausgefallen sei.

In der Tat seien die Zahlen insgesamt »nicht so schlimm, wie befürchtet«, räumte Linksfraktionschef Sebastian Walter ein. Um elf Prozent deutlich zugenommen habe in den vergangenen Monaten aber die Langzeitarbeitslosigkeit. »Die können nicht alle zu Tesla.« Er sei erst dann bereit, der Landes- oder Bundesregierung zu danken, wenn der Mindestlohn tatsächlich bei zwölf Euro pro Stunde liege. Davon aber sei Brandenburg mit fast einem Drittel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor weit entfernt. Auch der in Brandenburg geltende Vergabe-Mindestlohn sei nur dann von Wert, wenn auch kontrolliert werde, dass er ausgezahlt wird. Die Angaben der Regierung dazu stimmen ihn misstrauisch, merkte Walter an. Menschen müssten einen anständigen Lohn für ihre Arbeit erhalten. Ausdrücklich erwähnte er eine Stellenanzeige des CDU-Abgeordneten Frank Bommert, der im Kreis Oberhavel einen Metallbetrieb führt. »Von Bezahlung findet man in ihrem Stellenangebot kein einziges Wort«, so Walter zu Bommert.

Wenn es so viele Langzeitarbeitslose gebe, warum bewerben die sich nicht um eine der freien Stellen, konterte Bommert. »Ich kenne jede Menge Unternehmen, die suchen händeringend Quereinsteiger.« Was den Mindestlohn betrifft, winkte Bommert ab: »Ist ihnen eigentlich klar, dass heute für zwölf Euro Stundenlohn im Handwerk niemand mehr Mitarbeiter gewinnt?« Betriebe zögen sich aus der Ausbildung zurück, denn »es kommt ja doch keiner«. Und wenn jemand komme, sei er oft nach vier oder fünf Wochen wieder verschwunden.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann stellte in den Raum, dass es Menschen gebe, die die Langzeitarbeitslosigkeit einer Berufstätigkeit vorziehen, weil ihnen ein solches Leben attraktiver erscheine.

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