Der »Goldfinger« des Radsports

Zum Tod des Thüringers Heiko Salzwedel, eines der erfolgreichsten Trainer der Welt

  • Manfred Hönel
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast 30 Jahre lang hatte es Heiko Salzwedel rund um die Welt gewirbelt, bevor er 2017 zum ersten Mal seit Langem wieder im Berliner Velodrom an der Bande stand. Er betreute ein paar Nachwuchsathleten des Radteams LKT Brandenburg. Für den damals 60-jährigen Trainer war es eine Rückkehr nach Hause. Mit seinen zwei Kindern und der chinesischen Ehefrau wohnte er mittlerweile in Berlin-Marienfelde. Zum Training nach Cottbus war es für seine Verhältnisse nur noch ein Katzensprung. Auch wenn er nun nicht mehr mit großen Welterfolgen rechnen konnte, war er zufrieden. Der gebürtige Thüringer gab allerdings zu: »Es war immer ein gutes Gefühl, wenn ich von Olympischen Spielen mit Goldmedaillen und Weltrekorden für meine Sportler zurückgekommen bin. Rio 2016 waren meine achten Spiele, und meist klapperten dabei Medaillen.«

Damit war es schon 1988 in Seoul losgegangen. Salzwedel war gerade mal 29 Jahre alt und doch schon ein herausragender Trainer. »Ich wohnte noch in Cottbus, als der Bahnvierer mit mir als Trainer zur Silbermedaille raste.« Als der Sport 1990 in der DDR zu Boden ging, nahm Salzwedel ein Angebot aus Australien an. »Acht Jahre arbeitete ich dort. Mir glückte es, Weltklassefahrer wie Tour-de-France-Sieger Cadel Evans oder Topsprinter Robbie McEwen zu entwickeln.«

Die Russen waren zu ungeduldig

Zum ersten Mal über olympisches Gold konnte sich Salzwedel 1992 in Barcelona freuen. Die Australierin Kathryn Watt hatte überraschend das Straßenrennen gewonnen. Ihr deutscher Trainer soll für diesen Sieg den Gegenwert von 5000 Schafen kassiert haben. Der Radsportexperte lebte insgesamt knapp neun Jahre mit seiner ersten Frau und einem Sohn in Australien. Danach heuerte er beim Bund Deutscher Radfahrer an. »Der Verband wollte aber meinen Weg nicht mitgehen, also trennten wir uns ohne Zorn«, erinnerte sich der Sportwissenschaftler später.

Darauf schienen die Briten nur gewartet zu haben. Sie stellten ihn 2001 als Verbandsmanager ein. »Uns glückten einige WM-Titel und Olympiamedaillen. Aber die Verträge liefen aus, also guckte ich mich erneut um.« 2005 nahm er eine Anstellung in Dänemark an, und seine Fahrer Michael Morköv und Erik Madsen gewannen 2008 in Peking Olympiasilber.

Danach verschlug es ihn nach Russland, wo er den Posten des Verbandsmanagers bekleidete. Doch die Russen waren ihm zu rigoros. »Sie wollen immer sofort Erfolge und sind zu ungeduldig«, meinte Salzwedel. Sogar die Staatsspitzen Dmitri Medwedjew und Wladimir Putin hätten sich eingemischt. »Da hab ich das Handtuch geworfen und lieber in der Schweiz kleinere Brötchen gebacken.«

In Englands Radsportzentrum Manchester machte derweil Tour-de-France-Gewinner Bradley Wiggins Druck. Er wollte unbedingt Salzwedel für seine Olympiavorbereitung als Trainer. Und wenn Sir Wiggins etwas verlangt, sagt man ungern Nein. So wurde der Deutsche 2014 erneut britischer Verbandstrainer und pendelte zwischen Manchester und Berlin.

Im Herbst 2017 wollten die Engländer nicht mehr, also kehrte Salzwedel komplett in die Heimat zurück und versuchte, in Cottbus etwas auf die Beine zu stellen. Beenden konnte er diese Arbeit nicht mehr. Heiko Salzwedel starb am Mittwoch mit 64 Jahren in Berlin an den Folgen einer Lungenembolie.

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