Abschied in seltener Einigkeit

Juso-Chef Oleg Shevchenko gibt die Führung der SPD-Nachwuchsorganisation im Freistaat ab

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 4 Min.

Oleg Shevchenko, Jahrgang 1995, gebürtiger Ukrainer, hat bereits eine beachtliche berufliche und politische Karriere hingelegt. Seit mehr als vier Jahren ist der Mühlhäuser, der Wirtschaftswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre studiert hat, Landesvorsitzender der Thüringer Jusos. Am Montag teilte er via Twitter mit, er werde nicht erneut für das Amt kandidieren. Zu den Gründen äußerte er sich nicht. Der wichtigste dürfte aber sein, dass es eine Art ungeschriebenes Gesetz ist, dass Vorsitzende der Organisation nach zwei Amtszeiten gehen. Also wird auf dem nächsten Landeskongress der SPD-Nachwuchsorganisation Ende Oktober ein Nachfolger, eine Nachfolgerin oder ein Nachfolgeteam gewählt.

Shevchenko gerierte sich bislang als Parteilinker und Kritiker des Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, der dieses Amt nach dem lange nicht mehr für möglich gehaltenen Erfolg der Sozialdemokraten sehr wahrscheinlich auch übernehmen wird. Über den Wahlsieg freut sich indes auch Shevchenko. 2017 wurde der Mühlhäuser erstmals zum Chef der Thüringer Jusos gewählt. Bundesweit protestierte der SPD-Nachwuchs damals gegen die Neuauflage einer Großen Koalition im Bund und plädierte für den Gang in die Opposition, bekanntlich ohne Erfolg. Höhepunkt der Kampagne war in Thüringen damals eine Veranstaltung in Erfurt, auf der sich der damalige Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert unter anderem mit dem damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, über den künftigen Kurs der SPD stritt. Shevchenko gewann damals an Bekanntheit. »Plötzlich bin ich auf der Straße erkannt worden«, erzählt er.

Alles in allem hat Shevchenko in den vergangenen vier Jahren fünf Wahlkämpfe mit seiner Organisation geführt - immer für die SPD und zugleich aus einer Haltung der »kritischen Solidarität« heraus, wie er das formuliert. Dass sich die Jusos zum Beispiel mit dem SPD-geführten Thüringer Innenministerium in Migrations- und Asylfragen anlegen, ist für Shevchenko bis heute ebenso selbstverständlich wie die Auseinandersetzung, die er und die Jusos mit dem seit 2014 in der Hand der Linken befindlichen Erfurter Infrastrukturministerium über die Einführung des Azubitickets geführt haben. Die Jusos, sagt er, verstünden sich bei aller Sympathie und Zugehörigkeit zur SPD als eigenständige politische Kraft. Bei der Linke-Jugendorganisation Solid oder der Grünen Jugend sei das anders, behauptet Shevchenko.

Seine Äußerungen dürften auch Ausdruck eines gewachsenen Selbstbewusstseins der Jusos sein. Aktuell dürfte das auch damit zusammenhängen, dass in der neuen SPD-Bundestagsfraktion 49 von 206 Abgeordneten und damit fast ein Viertel Jusos sind. Shevchenko frohlockt, damit habe seine Organisation »eine Sperrminorität«, seien »das Zünglein an der Waage«. Und fügt hinzu: »Ohne unsere Juso-Stimmen wird es keine Mehrheit in einer Ampelkoalition geben.« Eine kleine Drohung in Richtung Scholz wie gegenüber FDP und Grünen. Für Thüringen sitzen die Juso-Frauen Elisabeth Kaiser und Tina Rudolph im neuen Berliner Parlament.

Allerdings sind auch unter den Jusos etliche macht- und karrierebewusst, werden sich also nicht mit den konservativen Kräften in ihrer Partei anlegen. Jusos, die mitregieren, sind eben keine Oppositionellen, wie nicht zuletzt die Thüringer Landespolitik in den vergangenen Jahren bewiesen hat. So gilt im Erfurter Landtag die SPD-Abgeordnete Diana Lehmann seit langem als die Juso-Abgesandte schlechthin, auch wenn sie dem Alter von höchstens 35 Lebensjahren inzwischen entwachsen ist. Von 2009 bis 2011 war sie Juso-Landesvorsitzende. Als Mitglied einer Regierungsfraktion hat sie im Landtag die Hand auch für Entscheidungen gehoben, die sie als Juso ohne Mandat kaum mitgetragen hätte. Das gibt sie sogar offen zu.

Shevchenko hält den Jusos als Erfolg zugute, dass Olaf Scholz »die Schwarze Null aufgegeben« hat. Das sei ebenso eine Kernforderung der Jusos gewesen wie das Bekenntnis der SPD zu mehr bezahlbarem Wohnraum und zu einer BAföG-Reform. Bleibt abzuwarten, wie viel vom SPD-Wahlprogramm sich in einem Koalitionsvertrag mit FDP und Grünen noch wiederfinden wird. Denn die Liberalen bleiben nicht nur bei der schwarzen Null, sondern betonen auch, mit ihnen werde es keine Steuererhöhungen geben.

Shevchenko will unterdessen im Stadtrat von Mühlhausen ebenso bleiben wie im Kreistag des Unstrut-Hainich-Kreises und im SPD-Landesvorstand, wo er weiter die Sichtweise der Jusos einbringen will. Und vielleicht, sagt er, werde er sich in drei Jahren auch erneut um ein Landtagsmandat bewerben. Derzeit stehen die Chancen nicht schlecht: Dem Bundestrend folgend, liegt die Thüringer SPD derzeit in Umfragen bei 21 Prozent der Stimmen - gegenüber 8,2 Prozent bei der Landtagswahl 2019. Zugleich ist die Linke auf derzeit 20 Prozent abgesackt. Sie war vor zwei Jahren mit 31 Prozent stärkste Kraft geworden.

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