»Packen Sie Ihren Stern ein!«

Protest und Empörung nach antisemitischem Vorfall in Leipziger Hotel

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 600 Menschen haben am Dienstag vor dem Westin-Hotel in Leipzig gegen Antisemitismus protestiert. Aufgerufen dazu hatte das Bündnis »Leipzig nimmt Platz«. Es reagierte damit auf einen antisemitischen Vorfall in dem Haus, den Popstar Gil Ofarim nur Stunden zuvor publik gemacht hatte. Ihm sei an der Rezeption die Anmeldung verweigert worden, weil er eine Kette mit einem Davidstern trug, erklärte er in einem vor dem Eingang des Hotels aufgenommenen Video, das er auf Instagram einstellte. Ein Mitarbeiter habe ihn demnach aufgefordert: »Packen Sie ihren Stern ein!«

Der Vorfall stieß auf breite Empörung. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, sprach von einer »erschreckenden antisemitischen Anfeindung« und sagte, er hoffe auf personelle Konsequenzen in dem Hotel. Martin Dulig, SPD-Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident in Sachsen, erklärte, es sei »inakzeptabel und macht mich wütend, was Gil Ofarim in meinem Heimatland widerfahren ist«. Er entschuldige sich stellvertretend für die »Demütigung«. Justizministerin Katja Meier (Grüne) sagte, der Vorfall müsse Konsequenzen haben. »Eine Entschuldigung reicht nicht aus.« Polizei und Staatsanwaltschaft haben Ermittlungen aufgenommen.

Das Hotel, das zur Marriott-Gruppe gehört, hatte auf Facebook zunächst nur ausweichend reagiert. »Unser Ziel ist es, alle unsere Gäste und Mitarbeiter zu integrieren, zu respektieren und zu unterstützen, unabhängig davon, welcher Religion sie angehören«, hieß es darin. Das »Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus« erwiderte, Juden wollten als Gäste »nicht integriert, sondern gut behandelt werden«. Kritisch äußerte es sich auch zu einem Banner, das Hotelmitarbeiter bei der abendlichen Kundgebung gezeigt hatten. Es zeigte neben der israelischen Flagge mit dem Halbmond auch ein Symbol des Islam. Dieses habe nichts auf einem Banner zu suchen, das sich gegen Antisemitismus richte, betonte das Forum. Auch Zentralratspräsident Schuster kritisierte die Symbolik des Banners. Sie offenbare »wenig Bewusstsein dafür, dass Juden Teil der deutschen Gesellschaft sind«, zitierte ihn die Nachrichtenagentur epd.

Zwei beschuldigte Mitarbeiter wurden beurlaubt

Gil Ofarim, der 1982 in München als Sohn des israelischen Sängers Abi Ofarim geboren wurde, hatte sich anlässlich einer Aufzeichnung beim MDR in Leipzig aufgehalten. Seiner Schilderung in dem Video zufolge kam es in dem Hotel zu Verzögerungen bei der Abfertigung der Gäste. Dabei seien andere Besucher bevorzugt worden. Auf seine Nachfrage fiel der antisemitische Satz. Unter dem Video schrieb Ofarim, es sei »nicht das erste Mal, aber irgendwann reicht es ...« Medienberichten zufolge hat das Hotel zwischenzeitlich zwei beschuldigte Mitarbeiter beurlaubt. Einer hat nach Angaben der »Leipziger Volkszeitung« seinerseits eine Anzeige wegen Verleumdung erstattet. Ofarim habe bisher keine Anzeige gestellt.

Ein Einzelfall ist der Vorfall in dem Hotel nicht, ganz im Gegenteil, sagte Kerstin Köditz, Linke-Abgeordnete im Landtag. Allein im ersten Halbjahr 2021 habe es 96 judenfeindliche Straftaten in Sachsen gegeben. Im Vorjahr waren es 173, was nach einem vier Jahre anhaltenden Anstieg einen neuen Höchststand bedeute. 83 Prozent der Taten gelten als rechtsmotiviert. Mehr als die Hälfte der Taten ereignete sich in den Städten Leipzig, Dresden und Chemnitz.

Die Linke fordert als Konsequenz aus dem jüngsten Vorfall auch einen hauptamtlichen Beauftragten für jüdisches Leben, der »möglichst unabhängig« Antisemitismus bekämpfen und vorbeugen soll, sagte Köditz. Bisher gibt es mit dem CDU-Politiker Thomas Feist nur einen ehrenamtlichen und im Kultusministerium angesiedelten Beauftragten. Dieser hatte aus Ofarims Anschuldigungen mit einer Aufforderung an Medien reagiert, der Sache nachzugehen – sowie dem lapidaren Satz: »Das kann doch nicht wahr sein.«

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