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Proteststimmung in Hollywood
Zum ersten Mal könnten die 60 000 Mitglieder der Set-Mitarbeiter-Gewerkschaft der US-Filmbranche in den Ausstand treten
Die Hollywood Gewerkschaft IATSE ist bereit zum Streik. Die 60 000 Mitglieder, die hinter der Kamera als Lichttechniker, Kameraassistenten oder Bühnenbildner arbeiten, schienen stets perfekt in die Hollywood-Maschinerie integriert zu sein. Noch nie in seiner 128-jährigen Geschichte hat die International Alliance of Theatrical Stage Employees gestreikt. Doch in den letzten Tagen stimmten 98 Prozent der Mitglieder für einen Streik - bei 90 Prozent Wahlbeteiligung. Sollten die Verhandlungen scheitern, die seit Mai mit dem Verband der US-Film- und Fernsehproduzenten (AMPTP) scheitern, dann wird die US-Filmproduktion zum Erliegen kommen.
Die Hauptforderung der Gewerkschaft: längere Ruhepausen zwischen Arbeitstagen, die oft 15 Stunden betragen. »Fraturday« soll beendet werden, in dem Schichten vom Freitag bis in den Samstagmorgen dauern. Während des Tages sollten endlich Mittagspausen garantiert sein. Die am niedrigsten bezahlten Arbeiter, die Drehbücher koordinieren oder Schriftstellern assistieren, sollten erhebliche Lohnsteigerungen bekommen.
Die Filmgesellschaften wollen einen Streik vermeiden. Schließlich verantworten sie »Content«, Sendeinhalte, die sie in einer Art Pipeline-Verfahren an die Entertainment-Riesen des Silicon Valley wie Apple und Netflix oder Hulu pumpen - oder im Jargon: »streamen«. Nicht weil sie mit einem Rohstoff handeln, sondern weil sie in so rauen Mengen liefern. Denn die Pandemie hat nicht nur die Produktionstage oft verschoben; vor allem hat die Pandemie zu einer enorm gestiegenen Nachfrage nach Streaming-Filmen geführt.
Es war diese erhöhte Produktionsmenge in verkürzter Produktionszeit, die die gemütliche Beziehung der IATSE zu Hollywood vorerst beendet hat. Nicht nur sind diese Streaming-Produktionen schlechter bezahlt, auch wenn die Arbeiter möglichst gewohnte Studioqualität liefern müssen - sie sind auch länger. Eine alte Fernsehstunde betrug früher nur 42 Minuten, die restliche Zeit war für Werbung vorgesehen. Eine gestreamte Sendung dauert aber die vollen 60 Minuten. Zudem werden die Drehtage immer knapper. Deswegen fordert die Gewerkschaft wenigstens neun Tage Drehzeit für eine Episode.
IATSE-Arbeiter waren immer bereit, für ihren Traumjob etwas zu opfern, gerne trugen sie das unternehmerische Risiko. »Wir waren im Shutdown, also müssen wir jetzt länger und härter arbeiten«, sagte Make-up-Künstlerin Kristina Frisch dem »Hollywood Reporter«. Eric Johnson etwa, der der IATSE von 40 Drehtagen hintereinander ohne Mittagspausen berichtet. Oder Kameraassistentin Cheli Clayton Samaras, die erzählt, dass sie nach 15 Stunden Schicht erst einmal in ihrem geparkten Auto eine halbe Stunde schläft, ehe sie zu Mann und Kindern zurückfährt. Sie wolle keinen Umfall bauen wie der verunglückte Kameramann Brent Lon Hershman im Jahr 1997. Drehbuch-Koordinatorin Colby Bachiller verzichtet gerne auf Mittagspausen. Zuvor wurden solche Unannehmlichkeiten vielfach als »paying your dues« begriffen, also als das Lehrgeld eines spannenden Berufs.
Doch mittlerweile sind Arbeiterinnen wie Bachiller froh, dass sie in der Gewerkschaft sind. Bachiller sagt, dass sie bei dem Gehalt von nicht einmal 18 Euro die Stunde bisher nicht nur keine Mittagspause hatte, sondern das Geld nur für eine Mahlzeit am Tag reiche. Als sie sich am Set darüber beklagte, wurde ihr gestattet, freitags die bald abgelaufenen Lebensmittel aus der Filmküche mit nach Hause zu nehmen. Die Gewerkschaft will nun Löhne von 25 Dollar die Stunde. In den letzten Tagen wurde aus den Verhandlungen berichtet, dass Fortschritte bei Ruhezeiten zwischen Schichten erzielt worden seien, aber nicht bei Mittagspausen oder Lohnerhöhungen, so IATSE-Mitglied David O’Farrell gegenüber der Zeitschrift »Variety«.
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Die »Los Angeles Times« bemerkt, dass die übliche Bezeichnung für die IATSE-Mitglieder als »Below the Line«-Arbeiter daher rührt, dass die Kosten der Produktionsarbeiter in den alten Budgets mit einer Linie von den Ausgaben für die Kreativen des Geschäfts getrennt wurden. »Aber die meisten Amerikaner arbeiten ›Unter der Linie‹ für einen erbärmlichen Stundenlohn«, schreibt Los Angeles’ führende Zeitung. Arbeiter wie Bachiller haben ein schillerndes Arbeitsumfeld, bekommen jedoch kaum mehr als Fast-Food-Beschäftigte. Viele kleine Geschichten über die am wenigsten privilegierten Hollywood-Arbeiter, die jetzt in den sozialen Medien kursieren, zeigen die schlechten Arbeitsbedingungen in Jobs, von denen viele Amerikaner träumen. Bachiller hat sogar die Hashtag-Kampagne »IALivingWage« gegründet; inspiriert wurde sie von der Me-Too-Kampagne. Die Arbeiterklasse Hollywoods erzeugt nun über Twitter und Instagram eine wachsende Signalwirkung.
Die zahlreichen IATSE-Arbeiter haben eine Botschaft an Amerika: »Ich liebe meinen Job und meine Arbeit, aber ich bin darüber hinaus ein Mensch mit einem Leben jenseits der Arbeit«. Das ist eine Verstärkung der Stimmung, die sich zurzeit im Land ausbreitet. Manchmal ist die Traumfabrik einfach nur eine Fabrik. Und manchmal zahlt man »the dues,« das Lehrgeld, lieber direkt in die Gewerkschaftskasse.
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