Planet der Frauen

Das 35. Fantasy-Filmfest findet an diesem Wochenende in Berlin und Stuttgart statt

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Trotz Corona finden die Filmfestivals in diesem Jahr endlich wieder statt. An diesem Sonntag startet auch das 35. Fantasy-Filmfest. Los geht es in der Berliner Kulturbrauerei und im Stuttgarter Gloria, dann folgen Kinos in Frankfurt, Nürnberg, Hamburg, Köln und München, wo es jeweils acht Tage lang fast 40 recht unterschiedliche Filme vornehmlich aus den Genres Phantastik, Horror, Fantasy, Science-Fiction und Schwarze Komödie zu sehen gibt. Auch die Publikumswettbewerbe und das Kurzfilmprogramm finden 2021 wieder statt. Damit wartet das Fantasy-Filmfest in diesem Jahr fast wieder mit dem gewohnt umfangreichen Programm auf, das im vergangenen Jahr pandemiebedingt deutlich kleiner ausgefallen war.

Eröffnet wird das Festival mit der ab Dezember in den Kinos regulär laufenden Thriller-Komödie »Gunpowder Milkshake«, die in Berlin gedreht wurde und von einer Gruppe schießwütiger Auftragskillerinnen erzählt, die gegen eine ganze Meute übler Bösewichte zu kämpfen haben. In dem starbesetzten Film mit reichlich Geballer sind neben Lena Headey als routinierter Auftragskillerin und Michelle Yeoh, die in einer Bibliothek der ganz besonderen Art arbeitet, auch Paul Giamatti als eine Art Abteilungsleiter eines Mafia-Unternehmens zu sehen.

Deutlich ernster geht es im diesjährigen »Centerpiece« des Festivals zu, das mit »The Innocents« bildmächtigen skandinavischen Arthouse-Horror bietet, der auch schon auf dem Festival in Cannes 2021 zu sehen war. Der Film erzählt von vier Kindern aus einer Sozialsiedlung, die nicht nur ihre besonderen telekinetischen Fähigkeiten, sondern auch gleich noch sehr finstere Seiten ihres Selbst entdecken und ausleben.

Neben düsterem Horror mit angsteinflößenden Dämonen in einem abgelegenen Haus im Wald, wie ihn »Blood Conscious« bietet oder dem mit klaustrophobischen Kamerafahrten fast schon experimentell anmutenden Psychohorror im schwedischen Film »Knocking«, hat das Fantasy-Filmfest natürlich auch unterhaltsamen Horror-Trash im Programm. In »Brain Freeze« führt ein Super-Dünger dazu, dass sogar die Toten wieder auferstehen und als Zombies durch ewig grüne Landschaften wandeln. Und in »Boys from Country Hell« trifft britischer Humor auf uralte Vampire, die erst einmal durch Baumaßnahmen geweckt aus dem ländlichen Untergrund hervorkommen und daraufhin gediegen ihr Grauen verbreiten.

Aber motivisch hat das Programm deutlich mehr als nur gängige, den Genrekonventionen gemäße Inhalte zu bieten. So geht es in zwei recht unterschiedlichen Filmen um Banker. Zum einen domestiziert in »Mosquito State« ein Wall-Street-Analyst im edlen Penthouse unmittelbar vor der Finanzkrise von 2007 Insekten – die kleinen vor sich hin summenden und schließlich Schrecken verbreitenden Tierchen steuern und verändern am Ende eigentlich ihn. Neben dieser mit Mitteln des Bodyhorror arbeitenden Allegorie auf den Finanzcrash, geht es mit viel Action eher moralisch in der südkoreanischen Produktion »Hard Hit« zu. Dort sitzt ein Finanzjongleur, der seine Kinder morgens zur Schule fahren will, plötzlich auf einer Bombe, die explodieren soll, wenn er nicht sofort Unsummen auf ein Konto verschiebt. Schließlich geht es in dem motivisch an den 90er Jahre Blockbuster »Speed« erinnernden Film um die Leichen im Keller des smarten Finanzmanagers.

Aus Japan kommt die faszinierende Low-Budget Zeitreise-Geschichte »Beyond the Infinite Two Minutes«, die von einem kleinen Café erzählt, in dem Hipster und Nerds aufeinandertreffen und in dem plötzlich das Titel gebende Zwei-Minuten-Zeitreise-Fenster entdeckt wird. Das führt zu reichlich Verwirrungen, ruft schließlich sogar eine Zeitreisepolizei auf den Plan und bietet neben aller Phantastik einen unaufgeregten Blick ins alltägliche urbane Leben Japans.

Wobei das Science-Fiction-Genre in diesem Jahr beim Fantasy-Filmfest insgesamt weit weniger stark vertreten ist als noch im vergangenen. Immerhin ist mit »After Blue« ein SF-Film von Bertrand Mandico zu sehen, einem der Begründer des Inkohärenz-Manifests, das ein Kino einfordert, das »unformatiert, frei, gestört und traumhaft, cineastisch, eine epische Erzählung« kreiert. »After Blue« erzählt von einem Planeten in ferner Zukunft, auf dem nur Frauen leben. Von Machart und Ästhetik her dürfte dieser Streifen nicht wenige an Roger Vadims Klassiker »Barbarella« (1968) erinnern.
Neben diesen weiten Fernen jottwede im Weltraum ist es aber auch immer wieder der irdische Wald, in dem Monster lauern, Familien im Urlaub entführt werden oder wie in »Pig« ein ehemaliger Chefkoch (Nicolas Cage) mit seinem Trüffelschwein lebt, das schließlich entführt wird und das er in Portland wieder aufzuspüren versucht. Seinen Abschluss findet das Festival mit der aus Großbritannien stammenden apokalyptischen Weihnachtskomödie »Silent Night« mit Keira Knightley. Die beginnt als vermeintlich fröhlicher Film über eine Familienparty während der schönsten Feiertage des Jahres, inszeniert mit reichlich britischer Ironie, um dann eine überaus drastische Wendung zu nehmen und nicht weniger als das Ende der Menschheit durch eine alles verschlingende Giftgaswolke in Szene zu setzen.

Fantasy-Filmfest 2021:
17.–24.10.: Berlin/Stuttgart
24.–31.10.: Frankfurt am Main/Nürnberg
31.10 –7.11.: Hamburg/Köln/München Mehr Infos unter: www.fantasyfilmfest.com

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