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Mandatsrelevante Unregelmäßigkeiten
Berliner Landeswahlleitung will selbst Einspruch gegen Teilergebnisse der Abgeordnetenhauswahl einlegen
Bis zuletzt blieb Landeswahlleiterin Petra Michaelis am Donnerstag die überkorrekte Bürokratin. Nach einem bisweilen einschläfernden eineinhalbstündigen Rapport über die von Pannen überschattete Wahl in Berlin vor fast drei Wochen gab Michaelis schließlich bekannt, vor dem Landesverfassungsgerichtshof selbst Einspruch gegen das Wahlergebnis einlegen zu wollen. »Ich werde von dem Einspruchsrecht Gebrauch machen«, sagte sie am Ende der Sitzung des Landeswahlausschusses im kalten und ungemütlichen Bärensaal der Senatsinnenverwaltung in Mitte.
Direkt im Anschluss korrigierte sich Michaelis: Da sie - wie kurz nach der Chaoswahl angekündigt - mit der Sitzung ihr Amt abgebe, werde das ihre Stellvertreterin Ulrike Rockmann übernehmen. »Das ist so abgesprochen.« Und Ordnung muss sein.
Konkret soll das Gericht überprüfen, ob sich die »Unregelmäßigkeiten« in den Wahlkreisen Marzahn-Hellersdorf 1 und Charlottenburg-Wilmersdorf 6 bei den Erstimmen zur Abgeordnetenhauswahl »mandatsrelevant« ausgewirkt haben. In beiden Wahlkreisen liegt der Gewinner des Direktmandats nur knapp vor dem Zweitplatzierten. Sollte das Verfassungsgericht entscheiden, dass die Wahl hier wiederholt werden muss, stünden die Mandate von Gunnar Lindemann (AfD) in Marzahn-Hellersdorf und von Alexander Kaas Elias (Grüne) in Charlottenburg-Wilmersdorf erst mal zur Disposition.
Davon abgesehen stellte der Wahlausschuss am Donnerstag erst einmal das endgültige Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl fest, das aber nur graduell von den bisherigen Zahlen abweicht. Mit 832 Zweitstimmen am größten ist der Unterschied zwischen vorläufigem und endgültigem Ergebnis noch bei der Linken, die somit auf 14,1 Prozent kommt, 0,1 Prozentpunkte mehr als zunächst ermittelt. An der Sitzverteilung im neuen Abgeordnetenhaus ändert sich damit nichts.
Die eigentliche Bombe - die Ankündigung, die Gerichte anzurufen - platzte am Ende umso überraschender, als Petra Michaelis zuvor zwar ausführlich referierte, was denn so alles schieflief am 26. September: nicht zugestellte Briefwahlunterlagen, falsche und fehlende Stimmzettel, fehlende Wahlhelfende, lange Warteschlangen vor den Wahllokalen inklusive Stimmabgaben bis kurz vor 21 Uhr, »Zahlendreher« bei der Übermittlung der Auszählungsergebnisse. Kurzum: All die Pannen und Peinlichkeiten, die hinlänglich bekannt sind.
Zugleich war die Landeswahlleiterin während der Sitzung aber peinlich bemüht, den Ball so flach wie möglich zu halten. Etwa mit Blick auf die Quantität der »Unregelmäßigkeiten«. Insgesamt kommt die Landeswahlleitung berlinweit auf 207 Wahllokale, in denen es zum Teil drunter und drüber ging. »Eine Zahl, die uns alle erschrecken und auch ärgern muss«, sagte Michaelis - um das Erschrecken im Anschluss dann doch wieder ein wenig zu kassieren. Denn die Zahl zeige ja auch, dass die Wahl in über 2000 Lokalen »problemlos« über die Bühne gegangen sei. Aus einem Wahlbezirk habe sie die Rückmeldung bekommen, das sei »alles wie geschnitten Brot gelaufen«, man wüsste gar nicht, weshalb jetzt so ein Theater gemacht werde.
Die von Michaelis präsentierte Liste der für die Schludrigkeiten mitverantwortlichen Stellen ist dabei lang. Die für die Stimmzettel zuständige Druckerei findet sich ebenso darauf wie die Postzusteller. Nur die Landeswahlleitung nahm Michaelis indirekt davon aus, indem sie darauf verwies, dass ihr Team ja nur aus vier Personen bestanden habe: »Das muss auch mal an der Stelle gesagt werden.«
Dann dankte sie noch kurz und verabschiedete sich nach elf Jahren Ehrenamt mit den Worten: »Es war mir eine Ehre.«
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