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Das Revival der SPD-Linken

Auf dem Papier haben sich die Machtverhältnisse in der Bundestagsfraktion weiter verschoben

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

In der SPD-Linken hatte man wenige Wochen vor der Bundestagswahl angesichts der Umfragewerte von einem rot-grün-roten Bündnis geträumt. Konkrete Vorstellungen hierzu hatte die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis zu diesem Zeitpunkt im Gespräch mit dem »nd« geäußert. Ihr schwebte eine Akzeptanzvereinbarung im Koalitionsvertrag vor, in der Punkte festgehalten werden, die zwischen den Partnern strittig sind, beispielsweise Auslandseinsätze der Bundeswehr. Auf diesem Weg hätten SPD und Grüne es der Linkspartei ermöglichen können, Teil der Bundesregierung zu werden, ohne die eigenen Grundsätze in der Außenpolitik aufzugeben.

Doch für eine Mitte-links-Koalition hat es nicht gereicht. Vielmehr verhandelt die SPD derzeit mit Grünen und FDP über ein Bündnis. Die Parteilinke Mattheis hatte vor der Wahl erkennen lassen, dass sie nicht sonderlich begeistert von dieser Konstellation wäre. Nun gehört die 67-Jährige dem Bundestag nicht mehr an. Sie hatte ihren Rückzug aus der Politik bereits vor Jahren angekündigt. Auch als Vorsitzende des linken SPD-Vereins Demokratische Linke 21 wollte sie nicht mehr weitermachen. Künftig wird die DL 21 von einem Führungstrio geleitet. Es besteht aus dem Frankfurter SPD-Politiker Lino Leudesdorff, der Berlinerin Ülker Radziwill und dem neu in den Bundestag gewählte Münchner Abgeordneten Sebastian Roloff. Die DL 21 galt in der Vergangenheit als Bastion gegen viele Entscheidungen, die in der Großen Koalition getroffen wurden, was auch zu heftigen Kontroversen innerhalb der Partei geführt hatte. Roloff sagte dem »nd«, dass es in dem SPD-Verein strategisch weitergehe wie bisher. Er betonte allerdings, dass die DL 21 im Vorstand nun »breiter aufgestellt sei« mit Vertretern von Verdi, DGB, der IG Metall, dem Institut Solidarische Moderne und den Falken. »Zudem sitzen dort mehr Mitglieder des Bundestags und aus den Landtagen als vorher«, sagte Roloff.

Die DL 21 ist vor allem eine Basisorganisation. Wichtige Entscheidungen für die SPD werden im Bundesvorstand und der Bundestagfraktion getroffen. Nach der Bundestagswahl hat sich das Gewicht in der sozialdemokratischen Fraktion zumindest auf dem Papier weiter nach links verschoben. Roloff verwies darauf, dass die Parlamentarische Linke (PL) als Organisation innerhalb der Bundestagsfraktion immer größer war als das Netzwerk Berlin und der Seeheimer Kreis. Die Seeheimer sind eher konservativ. Das Netzwerk war für jüngere Abgeordnete gedacht, die nicht in die PL gehen wollten. Die Initiative zur Gründung des Netzwerks Berlin ging Ende der 1990er Jahre unter anderem vom heutigen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aus.

Wichtigster Punkt: der Sozialstaat

Laut Roloff dürften in der gestärkten Parlamentarischen Linken inzwischen mehr als 50 Prozent der SPD-Bundestagsabgeordneten organisiert sein, darunter viele Jusos, die neu in den Bundestag gewählt wurden. Vorsitzender ist der stellvertretende Fraktionschef Matthias Miersch. Für Olaf Scholz, der inhaltlich eher den Seeheimern zugeneigt ist, zeichnet sich noch nicht ab, dass die vielen Parteilinken in der Fraktion für ihn zum Problem werden könnten. In der SPD herrscht eher die Meinung vor, dass man dem Wahlsieg vor allem dem Kanzlerkandidaten zu verdanken hat. Scholz und die Sozialdemokraten hatten lange mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen, zogen dann aber doch noch an Union und Grünen vorbei.

Hinzu kommt, dass es im linken Flügel der SPD bei vielen Themen zwar unterschiedliche Meinungen gibt. So stimmte in den vergangenen Jahren eine kleine Minderheit in der Fraktion bestimmten Bundeswehreinsätzen, wie dem in Mali, nicht zu. Diejenigen Parteilinken, die kompromissbereit sind und aus Sicht der SPD-Führung als pragmatisch gelten, waren aber deutlich in der Mehrheit.

Politiker wie Roloff hoffen in Zukunft auf ein gemeinsames Vorgehen des linken Flügels. »Wir müssen unsere zahlenmäßige Präsenz auch inhaltlich nutzen«, so der Sozialdemokrat. Für ihn ist der wichtigste Punkt bei den Koalitionsverhandlungen und bei der Umsetzung eines Koalitionsvertrags ein funktionierender Sozialstaat. »Das bedeutet, wir müssen ran an die Themen Hartz-IV-Sanktionen und Einführung eines Bürger*innengeldes. Das Rentenniveau muss steigen, prekäre Beschäftigung bekämpft und der Mindestlohn erhöht werden«, forderte Roloff. Zentral sei für ihn auch das Thema bezahlbares Wohnen. »Mieten müssen stärker reguliert werden und wir brauchen mehr Sozialbindung beim Wohnungsbau«, sagte er.

Wie viele andere linke Sozialdemokraten hätte auch Roloff gerne nach der Wahl über eine andere Regierungskonstellation gesprochen, für die es aber »leider nicht gereicht hat«. Nichtsdestotrotz sieht er eine rot-grün-gelbe Koalition nicht pessimistisch. »Wir als DL 21 sehen in einer möglichen Ampel-Koalition Chancen, viel SPD-Programmatik durchzusetzen, auch wenn das kein Selbstläufer wird«, erklärte Roloff. Ähnlich hatten sich zuletzt die Juso-Chefin Jessica Rosenthal und SPD-Vizechef Kevin Kühnert geäußert. Kühnert hatte kürzlich im ARD-»Morgenmagazin« gesagt, er gehe »sehr fest davon aus«, dass sich die Sozialdemokraten noch in diesem Jahr mit Grünen und FDP einigen werden. Es sei wichtig, dass die jetzt begonnenen Gespräche so solide und seriös geführt würden, dass Vertrauen wachse – aber auch deutlich gemacht werde, wo es Differenzen gebe, so Kühnert.

Einen etwas deutlicheren Ton schlug Roloff an. »Wenn die Parteien, die miteinander sondieren, sagen, dass sie keine roten Linien haben, muss das auch für die FDP gelten«, erklärte er. Die FDP sage selber, dass es in Deutschland einen Innovationsstau gebe und man bei den Themen Digitalisierung und Wirtschaftsförderung nach der Coronakrise mehr machen müsse. »Da sind wir auch durchaus nahe beieinander. Ich glaube aber nicht, dass es ohne moderate Steuererhöhungen für Besserverdienende gehen wird«, sagte der SPD-Linke.

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