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Sowjetsterne, gebastelt aus Kriegsschrott
In Erdhüttencamps warteten 1945 unzählige Rotarmisten und verschleppte Sowjetbürger auf ihre Heimkehr
Zweieinhalb Millionen Soldaten nahmen an der Berliner Operation der Roten Armee teil, die am 8. Mai 1945 die Befreiung Deutschlands vollendete. Spuren der Kämpfe, manche sterblichen Überreste, aber auch Zeugnisse, die Überlebende hinterließen, finden sich heute noch auf den einstigen Schlachtfeldern in Brandenburg.
Wohin nach dem Sieg mit den Hunderttausenden von Soldaten in einem zerstörten Land? Wohin mit den unzähligen befreiten Landsleuten, den zur Zwangsarbeit in die Fremde verschleppten Kriegsgefangenen und Arbeitssklaven? Als die Rote Armee im Frühsommer 1945 vor der Aufgabe stand, diese Menschen zu erfassen, ihre Schicksale zu überprüfen und in die vom Krieg verwüstete Sowjetunion zurückzubringen, sammelte man sie in provisorischen Camps aus einfachen Erdhütten (»Semljanki«) und Zelten, die in den Wäldern zwischen Elbe und Oder entstanden.
Es war eine archäologische Sensation, als diese sogenannten Waldlager eher zufällig 2014 wiederentdeckt wurden, wie Thomas Kersting am Mittwochabend bei einer Veranstaltung in der Gedenkstätte Leistikowstraße in Potsdam erläutert. Kersting ist Leiter des Bereichs Archäologische Denkmalpflege im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum und ist Kurator der Wanderausstellung »Zwischen Krieg und Frieden. Die Waldlager der Roten Armee in Brandenburg 1945«.
Es seien Hobbyarchäologen wie der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Sieghard Wolter aus Brandenburg/Havel gewesen, die Fundstücke aus Erdmulden in den Wäldern brachten, die sie nicht recht zuordnen konnten, so der Archäologe. Mit ihren Detektoren stießen sie vor allem auf Metall: Löffel, Blechetuis, Orden und Abzeichen der Besiegten wie der Sieger, Ausrüstungsgegenstände, deutsche Koppelschlösser, aus denen die Nazi-Symbole grob entfernt worden waren, an Kriegsgefangene ausgegebene Lager-Erkennungsmarken - und immer wieder aus Blechresten gefertigte Sowjetsterne. Viele der offenkundigen Bastelarbeiten waren graviert, trugen eingeritzte kyrillische Schriftzeichen, Namen und Daten von Personen und Orten, militärische Symbole oder Nummern.
»Wir haben das damals nicht sofort kapiert und sind erst darauf gekommen, dass es sich dabei nicht um normale Militärcamps handelt, nachdem wir uns die Funde genauer angesehen hatten«, sagt Kersting. Denn bei professionellen Grabungen kam dann auch viel »ziviles« Beutegut zutage, Porzellan und Glasgefäße, Wasserhähne, Metallscharniere, dafür wenig Schmuck und kaum Uhren. Vor allem waren die dort aufgefundenen Münzen aus Deutschland und dem okkupierten Europa nicht nach 1945 geprägt. »Aus Munitionskartuschen gefertigte Öllämpchen oder Heizöfen haben uns dann gezeigt, dass die Leute, die dort wohnen mussten, es sich, so gut es ging, gemütlich gemacht haben.« Denn die meisten Waldlager bestanden zwar nur kurze Zeit, manche aber existierten bis in die 1950er Jahre.
In den vergangenen Jahren haben die Landesarchäologen mithilfe »ihrer« Ehrenamtler inzwischen fast 90 Standorte in Brandenburg identifiziert. Darunter so große Waldlager wie das im »Pilzwald« beim Müncheberger Ortsteil Hoppegarten (Märkisch-Oderland) mit bis zu 1000 Erdhütten für schätzungsweise mehr als 10 000 Menschen. Entdeckt wurde es zuvor, wie inzwischen viele vergessene Orte, anhand bestimmter Merkmale auf einem im Internet verfügbaren digitalen Geländeprofil des Landes Brandenburg. Fast alle diese Lager finden sich nordwestlich Berlins, aber auch im Halbkreis um die Stadt bis ins südöstliche Umland. »Erstaunlicherweise finden sich kaum derartige Lager südlich von Berlin oder gar in Sachsen und Thüringen«, so Kersting.
Eine große Überraschung sei für ihn der Fund einer Blechschachtel in Brandenburg gewesen, deren Besitzer in kyrillischer Schrift »Ganofer« in den Deckel gestanzt hatte - offenbar für das deutsche Hannover, das allerdings US-Truppen am 12. April 1945 befreit hatten. Für Kersting ein Beleg dafür, dass in diesem Lager wohl ehemalige Zwangsarbeiter aus dem Westen vor ihrer Repatriierung in die Sowjetunion gesammelt wurden. Als gesichert darf gelten, dass sie dort vom Militärgeheimdienst überprüft wurden, galten sie doch, wie auch ehemalige Kriegsgefangene, als des Verrats und der Kollaboration mit dem Feind verdächtig. Wer dabei in den Fängen des Geheimdienstes hängen blieb, für den begann meist ein neuerlicher Leidensweg, der Verbannung und jahrelange Zwangsarbeit, aber auch das Todesurteil bedeuten konnte.
Ein unscheinbares Exponat, versteckt gezeigt auf einer Informationstafel in der Ausstellung »Bruchstücke ’45« der Gedenkstätte Leistikowstraße, schlägt eine Brücke zu den Lagern. Es handelt sich, wie Gedenkstättenleiterin Ines Reich erläutert, um eine blaue Mitgliedsbrosche der »Evangelischen Frauenhilfe«, die bei einer Grabung im Wald bei Brielow (Potsdam-Mittelmark) gefunden wurde. »In der Villa in der heutigen Leistikowstraße 1 befand sich von 1916 bis 1945 die Geschäftsstelle der ›Evangelischen Frauenhilfe‹, die die Sowjetische Militäradministration 1945 beschlagnahmte«, sagt sie. Umgebaut als Untersuchungs- und Durchgangsgefängnis der sowjetischen Militärspionageabwehr, wurde das Haus ab 1994 Gedenkort.
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