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  • Präsidentschaftswahl in Usbekistan

Der Statthalter

Vor fünf Jahren trat Schawkat Mirsijojew als Reformer an. Nun lässt sich Usbekistans Präsident wiederwählen

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 4 Min.

Etwa 10 000 politische Gefangene, Kinder, die auf Baumwollfeldern schuften müssen, Folterberichte über Oppositionelle, die zu Tode gekocht werden: Als Usbekistans Langzeitpräsident Islom Karimow nach einem Vierteljahrhundert an der Macht im Spätsommer 2016 starb, galt sein Land als eine der despotischsten Diktaturen unter den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Nichts deutete darauf hin, dass sich daran etwas ändern könnte als sich sein langjähriger Premierminister, gefürchtet als skrupelloser Vollstrecker von Karimows Willen, mit 90 Prozent Zustimmung zum Nachfolger wählen ließ. Alles schien beim Alten zu bleiben.

Doch dann verordnete Schawkat Mirsijojew dem mit 35 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Zentralasiens überraschend Reformen. Der neue Präsident ließ politische Gefangene frei, ging gegen die Zwangsarbeit in der Baumwollindustrie vor und schloss das berüchtigte Foltergefängnis Dschaslyk in der nordusbekischen Steppe. Um die siechende Wirtschaft in Schwung zu bringen, vereinheitlichte Mirsijojew die Wechselkurse, genehmigte Devisentransaktionen und verbesserte die Anlagebedingungen für ausländische Investoren. Die internationale Presse berichtete mit Wohlwollen über die Reformen. Das isolierte Land mauserte sich zu einem beliebten Urlaubsziel, deutsche Wirtschaftsdelegationen reisten in die Hauptstadt Taschkent, um Geschäfte einzufädeln.

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Am Sonntag will sich der Reformer nun in seinem Amt bestätigen lassen. An diesem Tag finden in Usbekistan Präsidentschaftswahlen statt. Der 64-Jährige darf sich laut Verfassung nur einer Wiederwahl stellen. Experten erwarten einen Erdrutschsieg Mirsijojews. Dabei ist der Reformeifer des Präsidenten längst erlahmt, seine Bilanz ernüchternd. Schon früh warnten Kritiker, Mirsijojews Öffnungskurs ziele vor allem auf die usbekische Wirtschaft. Um eine Demokratisierung sei es ihm nie gegangen.

Diese Einschätzung bestätigt ein Blick in Usbekistans Gefängnisse. Dort werden noch immer etwa 2200 Menschen wegen ihrer politischen oder religiösen Überzeugungen festgehalten. Dies seien mehr als in sämtlichen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zusammengerechnet, heißt es in einem in der vergangenen Woche erschienenen Bericht des Usbekistan-Experten Steve Swerdlow, der lange für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch arbeitete. Die Gründe für die Haft reichten vom Besitz illegaler Literatur bis zur Mitgliedschaft in der muslimischen Hizb ut-Tahrir, die in Usbekistan verboten ist. Eine kurz zuvor erschienene Studie des Usbekischen Forums für Menschenrechte beschreibt das Fortdauern einer der schlimmsten Traditionen Karimows: Dem politischen Missbrauch der Psychiatrie. Nach wie vor würden Menschenrechtler und Oppositionelle gegen ihren Willen in psychiatrische Einrichtungen eingewiesen, mit Medikamenten vollgestopft und zum Teil mehrere Jahre festgehalten.

Ähnlich autoritär zeigte sich Mirsijojew auch bei der Vorbereitung seiner Wiederwahl. So ließ er Usbekistans ältester Partei Erk (Freiheit), die Karimow einst ins Exil gedrängt hatte, die Wiederzulassung verweigern. Ähnlich erging es dem Antikorruptionsaktivisten Kidirnasar Allakulow, dessen Partei Wahrheit und Freiheit nicht registriert wurde. Der prominente Sänger Mahmudon Joldoschew verabschiedete sich aus der Politik, nachdem 20 schreiende Männer und Frauen ein Treffen der nichtzugelassenen Partei Volksinteresse stürmte, die ihn zu ihrem Spitzenkandidaten küren wollte. Um den demokratischen Schein der Wahl zu wahren, ließen die Behörden vier weitgehend einflusslose Politiker als Mirsijojews Herausforderer zu – darunter auch Maksida Warisowa, die einzige Frau.

Kritik an Mirsijojew vermeiden die Scheinoppositionellen tunlichst, öffentlich treten sie kaum auf. »Bisher gab es keine direkte oder substanzielle Auseinandersetzung zwischen den Kandidaten«, heißt es in einem Vorwahlbericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aus der vergangenen Woche. Allgemein habe sich die Lage der Medien, nach anfänglichen Verbesserungen, verschlechtert, urteilt die OSZE. Journalisten und Bloggern würden weiterhin verfolgt und eingeschüchtert, Webseiten oppositioneller Medien gesperrt. Seit Juli blockiere die Regierung soziale Medien wie Twitter, TikTok, VKontakte und Skype. Seit März können Beleidigungen des Staatsoberhauptes im Internet zudem mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden. Mit der Gesetzesverschärfung reagierte die Regierung auf Recherchen des Bloggers Alexej Garschin, der auf YouTube als erster über die geheime Luxusresidenz »Shovvozsoy« des Präsidenten berichtete. Angeblich wurde der Bau des Anwesens mit mehreren Hundert Millionen Dollar aus der Steuerkasse finanziert.

Mirsijojew scheint all das nicht zu schaden, seine Wiederwahl gilt als sicher. Viele Usbeken sind mit seinen Reformen zufrieden. Einer Untersuchung des unabhängigen Forschungsverbunds Ma›no aus dem Juli zufolge, wollen mehr als 80 Prozent der Wähler für den Präsidenten stimmen.

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