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  • DFB-Fußballerinnen in Israel

Übergeordneter Auftrag

Beim ersten Spiel von deutschen Fußballerinnen in Israel tritt das 1:0 des DFB-Teams in den Hintergrund

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Es mag ja ein erster Reflex der Social-Media-Abteilung vom DFB-Team der Fußballerinnen sein, zunächst allein den sportlichen Aspekt ihrer Israel-Reise in den Vordergrund zu rücken. »Läuft in der WM-Quali: 3 Spiele, 3 Siege, 13:1 Tore«. Dahinter der angespannte Bizeps-Emoji. Einem Muskelspiel aber kam das glanzlose 1:0 der deutschen Fußballerinnen im WM-Qualifikationsspiel gegen die Israelinnen gewiss nicht gleich. Vielmehr verfiel das Ensemble dem nach Pass von Dzsenifer Marozsan erzielten Führungstor von Svenja Huth in der 18. Minute in einem merkwürdigen Trott, der erhebliche Zweifel am Leistungsstand des zweifachen Weltmeisters und achtfachen Europameisters genährt hätte, wenn das Team nicht zuletzt wiederholt bewiesen hätte, deutlich flüssiger und besser spielen zu können.

»Wir haben gut angefangen, dann leider nicht mehr die nötige Geduld und Ruhe gehabt«, urteilte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Das von ihr geforderte Positionsspiel kam am Donnerstagabend vor nur 500 Augenzeugen im HaMoshava-Stadion in Petach Tikwa fast völlig zum Erliegen, stattdessen bemühten ihre Spielerinnen ziemlich untaugliche Mittel. Ein in der Anfangsphase verschossener Elfmeter von Sara Däbritz fügte sich ins trostlose Bild. Es war im Vorort von Tel Aviv gewiss eines der schwächsten Länderspiele unter der seit 2019 tätigen Bundestrainerin, die mit der Europameisterschaft 2022 in England sowie der Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland zwei Höhepunkte ansteuert, die Deutschlands Frauen zurück in die Weltspitze bringen sollen. Da ist die Zielsetzung nach zwei verpatzten Turnieren mit dem frühen Viertelfinalaus bei der EM 2017 und WM 2019 absolut deckungsgleich zu den zuletzt ebenso erfolglosen Männern formuliert.

Immerhin sparten die Protagonistinnen nach dem Spielende nicht mit Selbstkritik. »Wir wissen, dass es keine Glanz-Performance war. Es war viel zu wenig Tempo im Spiel, es wirkte alles ein bisschen träge«, monierte Melanie Leupolz. Die Mittelfeldspielerin vom FC Chelsea London empfahl mit Blick auf das Rückspiel am kommenden Dienstag in Essen: »Wir müssen viel daraus lernen, vor allem mit mehr Tempo spielen.« Sie vermisste »die Frische, vor allem im Kopf.« Voss-Tecklenburg versprach vorsorglich: »Wir müssen uns verbessern, und wir werden uns steigern.«

Vielleicht sind ungleiche Qualifikationsaufgaben gegen bestenfalls zweitklassige Kontrahentinnen einfach nicht dafür gemacht, sich fußballerisch weiterzuentwickeln. Die Duelle laufen fast alle nach demselben Muster ab: Das deutsche Team ist fast permanent in Ballbesitz und sucht ständig nach Lücken, die sich gegen einen »aufsässigen Gegner« (Voss-Tecklenburg) indes nicht auftaten. Die nach 13 Monaten Verletzungspause zurückgekehrte Giulia Gwinn war zwar überglücklich, »wieder den Adler auf der Brust zu tragen«, aber der 22-jährige Social-Media-Star forderte ebenso, »von der Leistung eine Schippe draufzulegen.«

Da kommt es vielleicht ganz gut, dass der erste Auftritt von DFB-Fußballerinnen in Israel überhaupt - bei den Männern hatte es zuvor schon vier Begegnungen gegeben - von Anfang an mit einem übergeordneten Auftrag versehen war. Ausdrücklich sollten Zeit und Raum bleiben, um sich auch den gesellschaftspolitischen, historischen und sozialen Themen widmen zu können. Bereits am Freitagmorgen machte sich eine mehrköpfige Delegation zur Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem auf - dem weltweit bedeutendsten Mahnmal der Judenvernichtung im Nationalsozialismus.

Neben der Bundestrainerin, Teammanagerin Maika Fischer und dem Sportlichen Leiter Nationalmannschaften Joti Chatzialexiou nahmen auch die Nationalspielerinnen Lena Lattwein, Tabea Waßmuth, Laura Freigang, Laura Benkarth und Martina Tufekovic an dem zweistündigen Rundgang teil. »Es ist toll, dass die Spielerinnen selbst den Anspruch erheben, das zu erleben und mitzunehmen«, sagte Voss-Tecklenburg. Die 53-Jährige hatte schon beim Treffpunkt in Düsseldorf zu Wochenanfang auf eine Fortbildungsstunde zur Stadt Jerusalem und dem jungen Staat Israel gedrungen.

Zwei Millionen Besucher aus aller Welt kommen jährlich in die 1953 im Westen Jerusalems auf dem Herzlberg eröffnete Gedenkstätte, die auch an die Märtyrer erinnert, die Widerstand gegen das Naziregime leisteten und ihren Einsatz meist mit dem Leben bezahlten. Als 1987 Kapitän Lothar Matthäus beim ersten Gastspiel einer deutschen Fußballnationalmannschaft in Israel sich ausgiebig dort umgesehen hatte, berichtete er von einem »beklemmenden Gefühl«. Das gilt im Jahre 2021 ebenso für deutsche Nationalspielerinnen. Im Anschluss an die Führung legte die DFB-Abordnung diesmal einen Kranz an dem Gedenkstein von Janusz Korczak nieder. Der Kinderarzt begleitete die Kinder seines Waisenhauses bei der Deportation durch die deutschen Besatzer in ein Vernichtungslager, obwohl das auch für ihn selbst den Tod bedeutete.

»Gegenseitiges Verständnis« könne man gar nicht genug wecken, meint Martina Voss-Tecklenburg: »Für uns als Deutsche ist es einfach ein besonderer Ort, der dich noch mal wacher macht und sensibilisiert.« Ihr gesamtes Team kam nach dem Besuch der Gedenkstätte noch in Jerusalem zusammen, um nach einem Mittagessen eine Auswahl bedeutender Stätten der Stadt zu besichtigen - unter anderem die Klagemauer. Die Bundestrainerin hofft, dass Eindrücke und Erfahrungen ihre Spielerinnen in der Persönlichkeitsentwicklung weiterbringen.

Für die meinungsstarke wie weltoffene Fußballlehrerin vom Niederrhein ging es von Anfang an bei der Israel-Reise darum, die Antennen weit auszufahren - und eben nicht wieder nur Flughafen, Hotel und Stadion kennenzulernen. Dass die Aktiven sich vor geschichtlicher Verantwortung wegducken können - wie es die Männer unter Bundestrainer Joachim Löw bei ihrem Aufenthalt in Gdansk während der Europameisterschaft 2012 leider vorgemacht haben - soll unter ihrer Anleitung nicht passieren. Das in einem Hotel am Meer untergebrachte Nationalteam der Frauen wird an diesem Sonnabend sogar noch in Tel Aviv trainieren, ehe es vom insgesamt viertägigen Trip wieder zurück nach Deutschland geht. Drei Punkte im Reisegepäck sind dabei wirklich nicht das Wichtigste gewesen.

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