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Vom Aufbegehren gegen Armut und Gewalt
Mit »Maid« ist Netflix eine authentische Reflexion des Alltags alleinerziehender Frauen aus ärmsten Schichten gelungen
Häusliche Gewalt, Armut und scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten für betroffene Frauen, aus diesem Teufelskreislauf auszubrechen. Mit diesen Themen beschäftigt sich die Filmindustrie kaum. Transferleistungsempfänger und »working poor« werden eher in Dokumentationen voyeuristisch vorgeführt, als dass ihre Geschichte wirklich erzählt würde.
Überraschend anders geht die Netflix-Serie »Maid« an das Thema heran, die frei nach Motiven des autobiografischen »New York Times«-Bestsellers von Stephanie Land »Maid. Hard Work, Low Pay and a Mothers Will to Survive« (2019) gedreht wurde. In den zehn je einstündigen Folgen geht es um die alleinerziehende Mutter Alex (Margaret Qualley), die mit ihrer zweijährigen Tochter Maddy eines Nachts aus dem Trailer flieht, in dem sie mit ihrem gewalttätigen Ehemann Sean (Nick Robinson) lebt. In einer Kleinstadtwelt nördlich von Seattle beginnt eine monatelange Odyssee zwischen Obdachlosigkeit, Notunterkunft für Opfer häuslicher Gewalt und Übernachtungen bei der unter einer bipolaren Störung lebenden Mutter Paula (großartig gespielt von Andie MacDowell, der Mutter von Schauspielerin Margaret Qualley). Zwischenzeitlich lebt Alex mit ihrer Tochter wieder in dem Trailer, wo sie erneut von ihrem alkoholabhängigen Ehemann terrorisiert wird.
»Maid« schildert eindrücklich, welche enormen Hürden eine alleinerziehende Mutter überwinden muss, um sich von ihrem tyrannischen Ehemann unabhängig zu machen. Egal, ob es das Gericht ist, wo Sean erst einmal erfolgreich sein Sorgerecht einklagt, das Sozialamt, das bedrängte Frauen mit bürokratischen Hürden konfrontiert, statt ihnen wirklich zu helfen, oder Vermieter, die transferleistungsabhängigen Menschen die Tür vor der Nase zuknallen - Alex kommt aus dem unzumutbaren Zwangsverhältnis, in dem sie steckt, einfach nicht raus. Ihr Geld verdient sie mit Putzen in den Häusern reicher Leute.
»Maid« zeigt, welchen Spagat eine mittellose Frau bewältigen muss: bei niedrigstem Lohn möglichst viel und hart arbeiten und sich gleichzeitig ums Kind kümmern. Und immer wieder schafft es der Ehemann, ihr das, was sie sich erkämpft hat, kaputt zu machen. Das gute Verhältnis zur Mutter, einer esoterisch-durchgeknallten Hippie-Künstlerin, die im Wohnwagen lebt, ist immer wieder ungemein anstrengend. Und zum streng christlichen Vater, der in der längst geschiedenen Ehe ebenfalls gewalttätig gegenüber seiner Frau war, bleibt sie soweit wie möglich auf Distanz. »Maid« zeigt den geradezu chronischen Charakter familiärer Gewalt, in dem die Männer generationenübergreifend zusammenhalten und die Frauen nicht nur einschüchtern, sondern sie auch noch als Lügnerinnen diffamieren, wenn diese sich wehren.
»Maid« ist aber auch eine Geschichte über Solidarität (nicht nur) zwischen Frauen und über Empathie. Letztlich hilft Alex eine Freundschaft über die schlimmsten Klippen hinweg. Beistand erhält sie plötzlich von ganz unerwarteter Seite. Gemäß der - von Netflix allerdings sehr frei bearbeiteten - literarischen Vorlage von Stephanie Land schafft es Alex mit einem Stipendium und einem Studiendarlehen auf die Kunsthochschule von Montana, wo sie sich kreatives Schreiben aneignet und schließlich ein Buch verfasst, in dem sie vor allem ihre Eindrücke und Erfahrungen als Putzfrau authentisch verarbeitet, weshalb diese Innenansicht der »working poor« denn auch zu einem erfolgreichen Titel avancierte. Stephanie Land selbst ist mit der Serienadaption äußerst zufrieden. Einem anfangs geplanten Kinofilm, der ihr Buch werkgetreu umgesetzt hätte, stand sie eher skeptisch gegenüber: »Selbst als ich am meisten pleite war, konnte ich mir Netflix immer leisten. Ich möchte, dass auch arme Menschen Zugang zu diesem Angebot haben. Ich möchte, dass sie sich selbst auf authentische Weise sehen können. Die Serie tut das definitiv«, äußerte die Autorin jüngst gegenüber der »Seattle Times«.
Bei aller Dramatik des Stoffes offeriert »Maid« auch großartige ironische Momente und entwickelt eine ganz eigene, mitunter fast ins Surreale oder den magischen Realismus kippende Erzählweise, um das Innenleben der Protagonistin auszuloten. Die Qualität dieser Serie verdankt sich natürlich vor allem auch den Schauspielerinnen, die allesamt eine großartige Leistung abliefern und den ganzen Frust, die Ängste, Hoffnungen und den oft aussichtslosen Kampf gegen Erniedrigungen und gesellschaftliche Ächtung glaubwürdig in Szene setzen. Mit einer kleinen Einschränkung vielleicht: Alex verhält sich ihrer Tochter gegenüber stets so generös und großartig, wie es eigentlich eine alleinerziehende Mutter unter Druck im realen Leben kaum vermag. Und das nie nörgelnde, alles stoisch erduldende Kind wirkt mitunter eher wie Staffage.
Zweifellos: Eine zwischen Not, Schikane, Demütigungen, physischer und psychischer Gewalt pendelnde Mutter, die einen Bestseller schreibt und schließlich ihren brutal prekären Lebensumständen entfliehen kann, ist leider auch noch heute die Ausnahme. Dennoch ist diese Serie ein Gewinn - und sehenswert.
»Maid« auf Netflix
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