Werbung

In Hamburg hat's sich ausgepimmelt

Pimmelgate geht in die vorerst letzte Runde – und lässt den Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) immer alberner aussehen

  • Julia Trippo
  • Lesedauer: 3 Min.

Eins muss man ihnen lassen, den Hamburger*innen: Sie sind hartnäckig. Im Falle des Pimmelgates 2.0 schenken sich die involvierten Parteien nichts. Angefangen hatte alles mit Innensenator Andy Grote, der in einem Twitterpost tausend feiernde Menschen im Hamburger Schanzenviertel kritisiert hatte, nachdem er selber unter Missachtung der Corona-Regeln in einer Kneipe gefeiert hatte. Daraufhin bezeichnete ihn der User «ZooStPauli» im Mai als «1 Pimmel» auf Twitter. Grote stelle einen Strafantrag, die Ermittlungen wurden aufgenommen und gipfelten in einer Hausdurchsuchung des Twitter-Users im September. #Pimmelgate war geboren.

«Pimmelgate» - Andy Grote unter Beschuss

Auf der einen Seite steht die linke Szene, die nach dem ursprünglichen Konflikt ihrer Kreativität freien Lauf lässt. So verteilten Unbekannte nach der polizeilichen Reaktion auf den Tweet im Umfeld der Wohnung des Senators im Viertel St. Pauli giftgelbe Sticker mit schwarzer Aufschrift «Andy, Du bist so 1 Pimmel». Dies hielt die Hamburger Polizei auf Trab, deren Unterfangen, die Sticker abzureißen, dokumentiert wurde und in den sozialen Medien die Runde machte. Laut «Hamburger Morgenpost» seien die Beamten selbst Anfang Oktober auf die 40 Aufkleber aufmerksam geworden und entfernten diese zur Beweismittelsicherung und nicht im Auftrag des Senators.

Doch damit nicht genug: Am vergangenen Samstag prangte ein meterhohes Plakat im Design der Aufkleber mit gleicher Message am Gebäude der Roten Flora, ein politisch autonomes Kulturzentrum in der Hansestadt. Was auf die Kampfansage folgte, war folgender Schlagabtausch: Schon am Sonntagmorgen hatte die Polizei den Schriftzug auf dem Plakat mit schwarzer Farbe übermalt. Kurz darauf wurde mit weißer Graffitifarbe der Spruch auf die schwarze Farbe gesprayt. Die Polizei rückte Montag wieder an, übermalte, der Spruch erschien erneut. Die «Hamburger Morgenpost» fragte daraufhin auf dem Titelblatt in ihrer Dienstagsausgabe «Wer hat den größten Pinsel?»

Den Plakatmacher*innen zufolge lautet der Spielstand «Flora: III : Bullen II». Auf Twitter forderte die Rote Flora den Senator auf, zurückzutreten. Am Dienstag gab die Polizei tatsächlich den Kampf auf. Eine Sprecherin bestätigte, dass der Schriftzug nicht weiter übermalt würde. Aus dem Umfeld Grotes heißt es, der SPDler sei froh, dass der «Kinderkram» ein Ende habe und die Polizei sich nicht weiter damit beschäftigen müsse.

Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen der Linken und der Polizei erheiterte auch das Internet. Die Personalie Grote scheint nicht mehr nur die Hansestadt zu beschäftigen: «Dank #Pimmelgate weiß ich zumindest, wie Hamburgs Innensenator heißt», witzelte das Netz. Doch auch mehrte sich die Kritik um die Verhältnismäßigkeit der Reaktion der Polizei. Anstatt sich mit Hatespeech-Angriffe auf Menschen zu beschäftigen, machten sie bei diesem «Kinderkram» mit. Erinnert wird dabei an das Urteil des Landgerichts Berlin im Jahr 2019, demnach die Grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast zunächst als «Drecks Fotze» auf Facebook bezeichnet werden konnte. Die Parallelen zu Pimmelgate könnten offensichtlicher nicht sein.

Größter Verlierer in der Geschichte dürfte aber nicht die Polizei, sondern Grote selbst sein. Denn seine Intervention ging komplett nach hinten los. Aus einem Tweet wurde eine stadtweite Klebekampagne. #Pimmelgate trendete seit der Hausdurchsuchung im September immer wieder auf Twitter. Eigentlich wollte er ja nicht mehr als «1 Pimmel» bezeichnet werden, doch momentan wird über nichts anderes geredet.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Mehr aus: Aus dem Netz gefischt
- Anzeige -
- Anzeige -