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Kubas Verfassung erhitzt die Gemüter

Der geplante »Marsch für den Wandel« bringt Systemkritiker und Regierung weiter gegeneinander auf

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Idee für einen »Marsch für den Wandel« steht, das Verbot der kubanischen Regierung auch. Unter Berufung auf die Verfassung hatte eine Gruppe von Aktivist*innen die kubanische Regierung um eine Genehmigung für eine beispiellose Demonstration am 15. November ersucht. Diese wurde am 12. Oktober von der Regierung untersagt, und am 21. Oktober warnte die Staatsanwaltschaft der Provinz Havanna, dass sich die Organisator*innen, sollten sie ihren Plan weiterverfolgen, der Straftatbestände des Ungehorsams, der illegalen Demonstration sowie der Anstiftung zu Straftaten schuldig machen würden, was mit Strafzahlungen und Haftstrafen von drei Monaten bis zu einem Jahr geahndet werden könnte.

Die Vizechefin der Behörde, Yahimara Angulo, erklärte gegenüber der versammelten Presse, dass sich die Warnung auf Artikel 156 der Verfassung stützt, der die Aufgabe der Staatsanwaltschaft darin sieht, »die strikte Einhaltung der Magna Carta zu gewährleisten«.

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Die Gruppe Archipie’lago (Archipel) um den jungen Theaterdramaturgen Yunior García hatte ursprünglich die lokalen Regierungsbehörden gebeten, eine Reihe von Demonstrationen in mehreren Städten Kubas am 20. November zu genehmigen.

Archipie’lago war im August 2021 gegründet worden und hat nach eigenen Angaben rund 20 000 Mitglieder, von denen viele außerhalb des Landes leben. Sie will eine Plattform für die Debatte über ein zukünftiges Kuba sein. García gehörte zu jener Gruppe von rund 300 Kulturschaffenden, die am 27. November 2020 vor dem Kulturministerium für Kunst- und Meinungsfreiheit demonstrierten. Am 11. Juli wurde der 38-Jährige beim Protest vor dem kubanischen Rundfunk (ICRT) in Havanna kurzzeitig festgenommen.

Ziel des beantragten Marsches ist es, über die Uferpromenade Malecón und einige Straßen der Altstadt zur Statue des kubanischen Nationalhelden José Martí im Parque Central neben dem Kapitol, dem Parlamentssitz, zu laufen und dort einen Kranz niederzulegen. Die Organisator*innen sagen, sie hätten zu der Demonstration aufgerufen, um die Freilassung politischer Gefangener und die Beilegung von Differenzen mit demokratischen und friedlichen Mitteln zu fordern. Sie berufen sich auf die Ausübung des in der Verfassung verankerten Rechts auf Versammlungs-, Demonstrations- und Vereinigungsfreiheit zu rechtmäßigen und friedlichen Zwecken.

Die Regierung kündigte zunächst für den 18. bis 20. November dreitägige Militärübungen an. Daraufhin zogen die Organisator*innen den Marsch auf den 15. November vor. Schließlich verweigerten die Behörden offiziell der Demonstration die Genehmigung. Sie argumentieren, dass ein verfassungsmäßiges Recht »nicht gegen die anderen Rechte, Garantien und wesentlichen Postulate der Verfassung selbst ausgeübt werden kann«. Den Organisator*innen des Marsches werfen sie vor, »Verbindungen zu subversiven Organisationen oder von der US-Regierung finanzierten Einrichtungen« zu unterhalten, die einen Wechsel des politischen Systems in Kuba und eine militärische Intervention auf der Insel anstreben. »Dies unterstreicht, dass der angekündigte Marsch, dessen Organisationsplan gleichzeitig für andere Teile des Landes konzipiert ist, eine Provokation im Rahmen der Strategie des ›Regimewechsels‹ für Kuba darstellt, die in anderen Ländern erprobt wurde«, heißt es in der zweiseitigen Verbotsbegründung.

Yunior García sagte in einer kurzen Medienrunde, dass in dem Antrag für die Genehmigung für den Marsch, »nirgends von einer Veränderung des Sozialismus die Rede ist«, und erklärte, an dem Aufruf festhalten zu wollen. Die US-Regierung warnte, dass sie mit Sanktionen reagieren werde, wenn die »Grundrechte« des kubanischen Volkes »verletzt« oder die Organisator*innen des geplanten Marsches strafrechtlich verfolgt würden. Dies sagte Juan González, der wichtigste Berater von US-Präsident Joe Biden für Lateinamerika, in einem Interview mit der spanischen Nachrichtenagentur EFE.

Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel wiederum warnte auf einer Plenarsitzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) am vergangenen Wochenende, dass es keine Toleranz geben werde. »Es gibt hier genug Revolutionäre, um (...) jeder Art von Demonstration entgegenzutreten, die die Revolution zerstören will«, sagte er bei seinem Auftritt in olivgrünem Hemd. »Das erklärte Ziel der US-Regierung ist es, die kubanische Revolution zu stürzen.« Die Strategie bestehe angesichts der durch Corona und US-Blockade noch verschärften Wirtschafts- und Versorgungskrise darin, »so viel Unzufriedenheit wie möglich in unserem Land zu erzeugen, Instabilität zu schüren, indem man die Lebensbedingungen der Bevölkerung verschlechtert, uns das Überleben immer schwerer zu machen, uns zum Ausbruch eines gewaltsamen Konflikts zu führen«. Kuba steht vor schweren Wochen.

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