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Debüt der Ankerperson
Florian Kohfeldt will Wolfsburgs Fußballer mit Ruhe führen
Es ist nicht mehr ungewöhnlich, dass Bundesligatrainer noch einen Zweitjob ausüben. Steffen Baumgart, der seine Beliebtheitswerte beim 1. FC Köln rapide gesteigert hat, gibt neuerdings aus einem Kölner Fernsehstudio nebenbei noch Einschätzungen zur Champions League ab. Ein weiteres neues Gesicht beim Rechteinhaber Amazon war in Expertenfunktion auch Florian Kohfeldt. Doch dieses Intermezzo währte nur kurz: Der 39-Jährige hat diese Nebenbeschäftigung schon wieder eingestellt. Denn als neuer Trainer des VfL Wolfsburg ist er nun damit beschäftigt, seine Expertise nicht fürs Fernsehpublikum, sondern für die Werksfußballer aufzubereiten, die am Dienstagabend im Heimspiel gegen Red Bull Salzburg eine richtungsweisende Champions-League-Partie bestreiten.
Er empfinde »extrem große Vorfreude, extrem viel Lust«, so Kohfeldt. Kneifen müsse er sich bei diesem Karrieresprung zwar nicht, aber: »Das Champions-League-Debüt ist etwas, wovon man mal geträumt hat.« Nur den wenigsten Kollegen sei es »vergönnt, da arbeiten zu dürfen.« Es wäre ein guter Schlüssel, sagte der neue Leitwolf, »wenn ich meine Gefühlslage auf das Team übertragen kann.«
Seinen gelungenen Einstand mit dem 2:0 bei Bayer Leverkusen wollte er aber auch mit zwei Tagen Abstand partout nicht an seiner Person festmachen. »Der Sieg hatte am allermeisten mit den Spielern zu tun - und am wenigsten mit mir.« Die Mannschaft sei intakt, die Kaderstruktur gut. Fast demütig bedankte sich Kohfeldt für die unter seinen Vorgängern erarbeiteten Prinzipien.
Fakt ist allerdings auch, dass ihm Mark van Bommel nur zwei mickrige Pünktchen in der Königsklasse hinterlassen hat, obwohl die Gruppe mit Salzburg, Sevilla und Lille als günstige Fügung galt, nach 2016 noch mal das Achtelfinale zu erreichen. »Die Situation in der Gruppe ist für mich nicht aussichtslos«, findet der VfL-Coach. Gegen den österreichischen Meister wäre es allerdings hilfreich, »drei Punkte hierzubehalten, um immer noch die Chance zu haben, nach Weihnachten die Champions-League-Hymne zu hören.«
Für Kohfeldt muss es sich fast wie ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk anfühlen, jetzt in der Arena am Mittellandkanal jene Melodie zu hören, die einst auch Jahr für Jahr im Bremer Weserstadion ertönte. Von 2005 bis 2010 war sein Heimatverein SV Werder Dauergast auf dieser Bühne - und Kohfeldt oft genug als junger Mann und Torhüter der dritten Mannschaft unter den Tribünengästen. Die viel zitierten »Wunder von der Weser« ereigneten sich zwar in einer anderen Epoche, aber die elektrisierende Atmosphäre hat er natürlich aufgesaugt.
Nichts hätte er als Bremer Trainer wohl lieber geschafft, als Werder wieder in den Europapokal zu führen. Der Abstieg im vergangenen Frühjahr galt auch als Folge übertriebener Sehnsüchte der Grün-Weißen, diese Zeiten mit aller Macht wiederzubeleben. In der wochenlangen Selbstreflexion hat Kohfeldt für sich ermittelt, dass ihm an der Seitenlinie »ein Tick mehr Ruhe gut tut«. Beim VfL Wolfsburg will er mit »mehr Souveränität und Rationalität« coachen - und weniger Rumpelstilzchen, sondern mehr Ankerperson für seine Spieler sein.
Für sein erstes Spiel in Leverkusen hatte er zuvor eine Menge Mut angekündigt, heraus kam eine große Portion Intensität, die ein emotionaler, aber doch beherrschter Coach begleitete. Sportdirektor Marcel Schäfer lobte hernach: »Man darf nicht vergessen: Wir definieren uns hier über Arbeit.« Wie auf Knopfdruck belebte Kohfeldt die Kernkompetenzen eines Kaders, dessen Profis zu den physisch robustesten der Liga gehören. Eine Dreierkette in der Abwehr half dabei, Stabilität zu erzeugen. Es spricht wenig dagegen, Grundordnung und Personal zu wechseln.
Deshalb hielt sich der Soforthelfer auch in der Causa Wout Weghorst bedeckt. Ob der zuletzt an Corona erkrankte Torjäger sofort zurückkehre, ist offen. »Es ist schon so, dass der natürliche Weg eher ein Teileinsatz wäre. Ich werde mich da komplett auf die medizinische Abteilung verlassen und null Risiko eingehen. Wir haben am Wochenende bewiesen, dass wir in der Offensive auch andere Optionen haben.« Statt des 29-jährigen Niederländers würde wieder der deutsche U21-Europameister Lukas Nmecha beginnen, der sich mit fast jedem Einsatz ein Stück weiterentwickelt. Dass der 22-Jährige im Beisein von Kohfeldt spontan dessen Begriff »Deckungsschatten« richtig erklärte, brachte ihm auf der Pressekonferenz einen anerkennenden Klaps seines Trainers ein.
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