• Brandenburg
  • Corona-Ausbruch in Brandenburger Altenheim

Elf Coronatote und die Frage nach der Impfpflicht

Linksfraktionschef Walter wirft Gesundheitsministerin Nonnemacher vor, den Überblick verloren zu haben

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

An eine Impfpflicht, wie sie in mehreren europäischen Ländern zumindest für bestimmte Bevölkerungsgruppen gilt, wagt sich in Brandenburg die Politik nicht heran. Der Bestürzung darüber, dass nach einem Coronaausbruch in einem Seniorenheim am Werbellinsee (Barnim) zuletzt elf Bewohner gestorben sind, folgt ein Lavieren und Abwägen. Am weitesten ging am Dienstag noch Linksfraktionschef Sebastian Walter, der über eine Impfpflicht von Pflegekräften zumindest »reden« möchte. Dem müsse jedoch eine breite Debatte aller Beteiligten vorausgehen, sagte er. Walter verwies er auf »rechtliche Rahmenbedingungen«, die der Einführung eines solchen Zwangs entgegenstünden. Änderungen könne nur der Bund vornehmen. »Ich kann nur dafür werben, dass sich viele impfen lassen«, sagte Walter.

Von den Mitarbeitern des Seniorenheims sind nur etwa die Hälfte gegen das Coronavirus geimpft. Daraus erklärt sich die Frage, ob eine Impfpflicht für Pflegeberufe gebraucht wird, um die alten Menschen zu schützen. Man müsse aus den Vorgängen am Werbellinsee »Lehren ziehen«, sagte Sebastian Walter. Er warf Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) vor, diese habe offenbar keine Übersicht über die Situation. Für ihn sei eine Diskussion über eine Impfpflicht zumindest in den Pflegeberufen »überfällig«, erklärte Walter. Weil von den elf Corona-Opfern in dem Seniorenheim nur zwei im Krankenhaus gestorben seien und die anderen im Heim, müsse gefragt werden, ob die Erkrankten nicht ins Krankenhaus und dort auf die Intensivstation gehört hätten. Auch hochbetagte Corona-Erkrankte müssten in Kliniken gebracht werden. »Mir ist egal, wo der Fehler passiert ist, aber nicht, dass er passiert ist.«

Nach dpa-Informationen erwägt die rot-schwarz-grüne Landesregierung, eine tägliche Testpflicht für ungeimpfte Pflegekräfte ab einem Inzidenzwert von 100 einzuführen. Für Walter sind »tägliche Tests« für Pflegekräfte eine sinnvolle Maßnahme. Von der Gesundheitsministerin forderte er, dass alle Menschen, die sich eine dritte Impfung geben lassen wollen, diese auch bekommen.

Walters Fraktionskollege Ronny Kretschmer (Linke) warnte: Wenn man nicht in eine ähnlich schlechte Situation kommen wolle wie im vergangenen Jahr, müsse gehandelt werden. Es könne nicht sein, dass positiv getestete Lehrer weiter unterrichten könnten. Es könne nicht sein, dass Schüler im Schulbus eine Maske tragen müssten, im Klassenraum dann aber nicht mehr. Kretschmer warb für einheitliche Quarantänebestimmungen. Die Linke habe den jüngsten Corona-Verordnungen nicht zugestimmt, weil sie alle Lockerungen für verfrüht angesehen habe, erinnerte der Abgeordnete.

Nun ist aber die Frage, ob eine Impfpflicht oder auch eine Testpflicht die katastrophale Personalsituation in den Pflegeheimen nicht weiter verschlechtert, weil Impfgegner dann kündigen? Linksfraktionschef Walter sagte: »Ich glaube nicht, dass jetzt die Hälfte der Pflegekräfte wegen der Testpflicht nicht mehr zur Arbeit kommt.« Er äußerte sich auch zu einem Auftritt der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht (Linke) in der ARD-Sendung von Anne Will am Sonntag. Wagenknecht hatte dort erzählt, sie habe sich wegen möglicher Langzeitfolgen nicht impfen lassen. »An der Stelle hat sie Unfug erzählt«, meinte Walter. Aber er wolle Wagenknecht und ihre Position »nicht erklären«.

Freie Wähler, CDU und AfD sprachen sich am Dienstag eindeutig gegen eine Impfpflicht für Pflegekräfte wie überhaupt gegen eine Impfpflicht aus. Für die Freien Wähler sagte Fraktionschef Péter Vida außerdem, seine Partei sei gegen die Schließung der Impfzentren gewesen und halte es für einen Fehler, für Corona-Tests Geld zu verlangen. »Tests müssen kostenlos sein und sollten es auch bleiben.« Die Pietät verbiete, in der tragischen Situation nach Schuldigen zu suchen, doch sei das Gesundheitsministerium in der Pflicht, etwas zu unternehmen. Von einem Verbot von Weihnachtsmärkten oder verschärften Kontrollen dort halte er nichts, sagte Vida. »Über Besucherstromlenkung und die Begrenzung der Besucheranzahl können wir reden.«

»Dezidiert« gegen eine Impfpflicht wandte sich der CDU-Abgeordnete Steeven Bretz. Das würde die Spaltung der Gesellschaft weiter vertiefen. Als »schrecklicher Optimist« setze er auf Überzeugung und das Argument. »Es gibt sehr viel Unwissenheit.«

Die Einführung einer Impfpflicht für Pflegekräfte würde zu einem Zusammenbruch des Gesundheitswesens führen, glaubt die AfD. Für ihren Fraktionschef Hans-Christoph Berndt zeigt sich, dass die »Impfung schlecht ist«. Er behauptet: »Sie taugt nicht viel.«

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