Zweiter Teil der Scharmützelspiele

Der 1. FC Union verliert auch daheim unglücklich gegen Feyenoord Rotterdam. Erneut wird das Europapokalduell von Randalen überschattet

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: 4 Min.

Andreas Luthe feuerte nach dem Abpfiff im Mittelkreis des Olympiastadions frustriert eine Trinkflasche auf den Rasen. Im Anschluss wollte sich der Torhüter des 1. FC Union Berlin auch nicht vom Vereinsmaskottchen trösten lassen. Die 1:2-Heimniederlage gegen Feyenoord Rotterdam in der Gruppenphase der Europa Conference League am Donnerstagabend im Berliner Olympiastadion tat den Köpenickern weh, vor allem Luthe. Der Schlussmann war nach einer Rückgabe auf dem vom Dauerregen aufgeweichten Rasen ausgerutscht. Diesen Fauxpas nutzte Cyriel Dessers in der 72. Minute eiskalt zum entscheidenden Treffer für den niederländischen Tabellenvierten.

Unions Chancen auf das Überwintern im Europacup sind damit stark gesunken. In der Gruppe E liegen die Berliner auf dem letzten Platz. In den verbleibenden Partien bei Maccabi Haifa und daheim gegen Slavia Prag gibt es nur noch eine Minimalhoffnung. »Wenn ich mir die Tabelle anschaue, braucht man zwei Siege«, sagte Trainer Urs Fischer.

Zunächst muss der Schweizer aber erst einmal seine Mannschaft wieder aufbauen. Schon am Sonntagabend steht die nächste Bundesligaaufgabe beim 1. FC Köln an. Dann soll auch Torwart Luthe wieder überzeugen. Ihm dürfte gutgetan haben, dass er trotz seines Fehlers von den 25 000 Union-Fans unter den 30 000 Besuchern im Stadion mit »Luthe«-Sprechchören gefeiert wurde. Auch von den Mitspielern gab es Zuspruch für den Pechvogel. »Das passiert leider auf so einem beschissenen Platz. Da kann Andi nichts dafür«, meinte Mittelfeldmann Rani Khedira. »Er ist aber gestanden genug, dass er uns am Sonntag in Köln wieder den Arsch retten wird.«

Trotzdem müssen sich die Unioner über die verpasste Siegchance ärgern. Nach dem frühen 0:1 durch Luis Sinisterra konnte Kapitän Christopher Trimmel vor der Pause mit einem sehenswerten Schlenzer ausgleichen. Doch im zweiten Abschnitt ließ Union Möglichkeiten zur eigenen Führung aus. Es endete also mit einer unglücklichen Pleite und zwei Feldverweisen in der Schlussphase. Trimmel sah die gelb-rote Karte wegen Meckerns. Cedric Teuchert flog wegen einer Tätlichkeit mit einer glatten roten Karte raus.

Obwohl die Begegnung die größte Europacup-Heimkulisse für Union bedeutete, hinterlässt Rotterdam keine angenehmen Erinnerungen. Beim Rückspiel wurde im Block der 5200 Feyenoord-Fans massiv Pyrotechnik gezündet. Ultras warfen brennende Fackeln auch in den Innenraum.

Rotterdamer Hooligans hatten die Stadt zuvor zwei Tage lang in Unruhe versetzt. An der East Side Gallery wurde ein unter Denkmalschutz stehendes Mauerstück mit dem Schriftzug »Feyenoord« übermalt. Von niederländischen Anhängern belagerte Restaurants und Kneipen schlossen lieber, weil der Andrang zu groß war und auch dort Bengalos gezündet wurden. Die Polizei war am Spieltag im Stadtgebiet mit rund 2500 Beamten aus sechs Bundesländern im Einsatz. Um zu helfen, am Olympiastadion die strikte Fantrennung aufrechtzuerhalten, stellte Union zudem 800 Ordner. Das ist ein unrühmlicher Vereinsrekord.

Die Polizei vermeldete 139 Festnahmen für den Tag vor dem Spiel. Am Donnerstag kamen 182 weitere dazu. Davon waren aber nicht nur Gäste betroffen. Auch 13 Anhänger von Union und Energie Cottbus, die sich am Mittwoch am Treptower Park gegenübergestanden haben sollen, wurden einkassiert. Die Partie zog laut der Polizeimeldung auch 120 polnische Fans ohne Eintrittskarten an, die gern körperlich mitgemischt hätten. Sie erhielten jedoch Platzverweise.

Die Hauptstadt kommt jetzt wieder langsam zur Ruhe. Für viele Union-Fans wird die Aufarbeitung der Vorkommnisse beim Hinspiel (1:3) in Rotterdam aber noch länger dauern. Feyenoords Hooligans hatten am Vorabend in ihrer Innenstadt eine rund 25-köpfige Union-Delegation in einem Lokal angegriffen. Am Spieltag selbst bekamen Fans Probleme mit der äußerst groben Polizei: Schon vor und dann auch während der Partie berichtete die »Eiserne Hilfe« von verletzten Anhängern bei einem Fanmarsch. Die Fotos blutiger Köpfe gingen viral. Nach der Rückkehr nach Berlin musste ein Fan an seiner zertrümmerten Hand operiert werden. Ein Rippenbruch wurde ebenfalls erst daheim diagnostiziert. Für Andreas Lattemann, den 1. Vorsitzenden der »Eisernen Hilfe«, gab es keinen ersichtlichen Auslöser, warum die Polizei beim Fanmarsch die Knüppel geschwungen und Hunde ohne Maulkorb auf die Berliner Fans losgelassen hatte.

Wer es verletzungsfrei zum Stadion geschafft hatte, kam aber nicht sofort rein. Es staute sich am Einlass. Viele Fans sahen vom Spiel nur 30 bis 40 Minuten. Manch Unioner blieb ganz draußen, weil sein Ticket plötzlich nicht mehr gültig war oder er als »enttarnter« Deutscher in oder vor den Heimbereichen der Feyenoord-Fans aufflog.

Die Rotterdamer Polizei meldete 75 Festnahmen. 59 Berliner Anhänger sollen versucht haben, sich mit Feyenoord-Fans zu prügeln. Den anderen 16 werden Vandalismus, Beleidigung oder der Besitz von Feuerwerkskörpern vorgeworfen. Die Kosten für ihre Kaution betrugen zwischen 150 und 600 Euro pro Person. Manch einer der Inhaftierten weiß aber bis heute nicht einmal, warum er überhaupt festgehalten worden war.

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