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  • Berliner Stadtentwicklung

Ein weißer Elefant namens Signa

Senatsverwaltung verspielt Vertrauen bei Beteiligung zu Karstadt am Hermannplatz

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Das Bürgerbeteiligungsverfahren zur Umgestaltung des Hermannplatzes an der Grenze der Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln ist beileibe kein Selbstläufer für die Stadtentwicklungsverwaltung. Der Auftakt für die sogenannte Grundlagenermittlung gerät schon zu einem veritablen Kommunikationsdesaster.

Da hilft es auch nicht, dass Wohnen-Staatssekretärin Wenke Christoph (Linke) schon in ihren einleitenden Worten am Freitagabend in der Veranstaltungshalle »Huxleys Neue Welt« direkt gegenüber dem Karstadt-Komplex am Hermannplatz einräumt, dass das Setting wahrlich nicht einer »Beteiligung auf Augenhöhe« entspricht. Auf der einen Seite die Bürger im abgedunkelten Zuschauerraum - rund 200 sind gekommen. Mindestens zwei Meter höher, im Hellen, auf der Bühne, neben der Staatssekretärin weitere Vertreter ihrer Verwaltung sowie Moderatorin Sabine Slapa vom Stadtplanungsbüro Die Raumplaner, das den Beteiligungsprozess managt.

Auch die Erläuterung von Wenke Christoph, dass sich ihre Verwaltung nicht erst seit den Plänen der vom österreichischen Milliardär René Benko gegründeten Signa-Holding für das ihr gehörende Karstadt-Warenhaus mit dem Hermannplatz beschäftigt, wird von der Initiative Hermannplatz nicht akzeptiert. Vehement wehrt sie sich seit Bekanntwerden der Baupläne gegen das Projekt. Signa möchte den Bestandsbau historisierend aufstocken und ihm auch wieder die ikonischen, 56 Meter hohen Türme verpassen. Die Geschossfläche soll um 15 Prozent auf rund 100 000 Quadratmeter wachsen. Aus dem Kaufhaus soll eine gemischt genutzte Immobilie mit Wohnungen, Büros und Handel werden.

»Warum bleibt die Absichtserklärung unerwähnt, die alle Koalitionspartner im Senat am 3. August 2020 unterschrieben haben?«, unterbricht Niloufar Tajeri von der Initiative Hermannplatz die Staatssekretärin. Sie spricht von einem »weißen Elefanten in einem dunklen Raum«. Mindestens die Hälfte der Anwesenden applaudiert.

Im Gegenzug für Zusagen von Signa über den Erhalt von Arbeitsplätzen und Kaufhausfilialen für einige Jahre erklärte der Senat den Willen, eine »zügige Entscheidung über das Projekt zu erreichen«. Ein »zügiges Masterplan-Verfahren unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft« solle durchgeführt werden, »ausgehend von dem von Signa vorgelegten Konzept«, heißt es in der Absichtserklärung. Ähnliche Zusagen gab es für weitere Signa-Projekte am Alexanderplatz und am Kurfürstendamm.

Die Fachebene der Stadtplanung in den Bezirken Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg lehnte die Pläne frühzeitig ab, die politische Ebene, vor allem der SPD Neukölln, namentlich Bezirksbürgermeister Martin Hikel und seine Amtsvorgängerin, die wahrscheinlich neue Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, sind glühende Verfechter der Pläne. »Da kann man einfach nur sagen: Wow«, sagte Giffey im Mai vor der Presse über das »großartige« Vorhaben.

Nach Ansicht der Initiative Hermannplatz befeuert das Projekt die Verdrängung in beiden Bezirken und passt auch angesichts der Klimakrise nicht in die Zeit. Über 6000 Bürgerinnen und Bürger haben inzwischen eine entsprechende Petition unterschrieben.

»Dieser Prozess der Grundlagenermittlung ist ergebnisoffen«, versucht Moderatorin Sabine Slapa die Stimmung zu retten. Stärken, Schwächen und Potenziale der Gegend um den Hermannplatz sollen erfasst werden. Sie betont, dass die von ihr »Phase Null« betitelte Ermittlung normalerweise von Gutachtern erledigt werde.

»Es ist ein Spiel wie ›Wünsch dir was‹, wenn eigentlich schon vieles entschieden worden ist«, moniert ein weiterer Besucher der Veranstaltung. »Für dumm verkauft« hält sich eine Anwohnerin, wenn von »ergebnisoffenen Prozessen, die es nicht gibt«, gesprochen werde.

Kritisiert wird auch, dass »die Geschwindigkeit für eine Beteiligung, die akzeptiert sein soll«, problematisch sei. Bereits Anfang 2022 sollen Ergebnisse vorliegen. Die fünf Zielgruppenwerkstätten sollen in dichter Folge noch im November tagen. Zu ungünstigen Zeiten für Menschen im Berufsleben, wie Wilhelm Laumann von der Lenkungsgruppe Karl-Marx-Straße sagt, nämlich von 14 bis 17 Uhr. »Ich halte es auch für ziemlich weltfremd, wenn nicht diskutiert wird, was Signa vorhat. Man sollte auch diskutieren, wie eine Minimallösung für Karstadt aussehen könnte«, so Laumann weiter. Auf die Frage des Lenkungskreises, ob Signa sich mit einer Aufstockung um eine Etage, auf die Traufhöhe der gegenüberliegenden Bebauung zufriedengeben würde, habe die Antwort »nein« gelautet.

Überhaupt, die Geheimniskrämerei bei den einzelnen Werkstätten. »Wer ist zu welcher Zielgruppenwerkstatt eingeladen worden? Wer hat das entschieden?«, will eine Vertreterin der Initiative Hermannplatz wissen. Man habe in »Frickelarbeit« herausgefunden, wer nun zu den je 30 bis 40 Köpfe starken Veranstaltungen eingeladen worden sei. Und dann ist da noch die Sache mit Signa. In zwei der fünf Werkstätten sind Vertreter von der Kaufhaustochter des Konzerns und des Architekturbüros dabei, das den Umbau plant, wie Michael Künzel, Abteilungsleiter in der Stadtentwicklungsverwaltung auf Nachfrage einräumt. »Wie wollen wir diese Thematik, diesen Konflikt bearbeiten, wenn wir nicht mit denen reden?«, entgegnet Künzel. Er finde es »auch nicht besonders schön«, dass ein Vertreter von David Chipperfield Architects im Vorfeld hauptsächlich über die Pläne gesprochen habe. »Ich habe Signa wiederholt gesagt, dass wir nicht die Planung vorgestellt haben wollen«, stellt er klar. Der Konzern solle in der Werkstatt über das bestehende Gebäude sprechen.

Ein weiterer Kritikpunkt am Verfahren ist, dass in einer Gegend, in der Menschen aus 160 Nationen leben, die Bürgerbeteiligung nur auf Deutsch stattfinde. Mindestens Englisch, Arabisch und Türkisch müsste ebenfalls angeboten werden, sagt ein Teilnehmer des Gesprächs.

Eine weitere Bombe platzt ebenfalls erst auf Nachfrage, ganz am Ende der Veranstaltung. Wenke Christoph erklärt, dass der Senat das Verfahren bereits an sich gezogen hat. Jedoch müsse Einvernehmen mit den Bezirken hergestellt werden. Bei der Vertrauensbildung ist die Stadtentwicklungsverwaltung schon mal auf voller Linie gescheitert.

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