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Synagoge für die Juden von Potsdam

Nach jahrzehntelangen Bemühungen wird an der Schloßstraße endlich der Grundstein gelegt

  • Andreas Fritsche, Potsdam
  • Lesedauer: 5 Min.

Sechs Kinderhände greifen zu und betten den Kupferbehälter mit Dokumenten in ein vorbereitetes Loch im Beton. Ein Mann schnappt sich eine Schaufel und häuft Sand darüber. Am Montag wird an der Schloßstraße 1 in Potsdam der Grundstein für eine lang ersehnte Synagoge gelegt.

Bereits vor 15 Jahren wurde das Bauvorhaben in einem Staatsvertrag mit dem Land Brandenburg festgehalten. Die Bemühungen, eine Synagoge mit Gemeindezentrum zu errichten, reichen sogar noch viel weiter zurück. »Ich muss hier, glaube ich, niemandem erzählen, von welchen Schwierigkeiten der Weg begleitet war«, sagt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden. Stattdessen erzählt er einen jüdischen Witz: Ein Mann wird gefragt, warum eine Stadt zwei Synagogen benötige. Er antwortet: »Weil ich eine Synagoge brauche, in die ich gehe und eine Synagoge, in die ich nicht gehe.«

Wesentlich zur Verzögerung beigetragen hat, dass sich die verschiedenen jüdischen Gemeinden in der Stadt nicht über die gemeinsam zu nutzende Synagoge einigen konnten. Es gab prinzipielle Vorbehalte, aber auch unterschiedliche Ansichten zu Detailfragen. In der Auseinandersetzung darüber bildeten sich sogar noch zusätzliche Gemeinden. Fünf an der Zahl sind es jetzt insgesamt.

Um den Knoten zu zerschlagen, holte das Kulturministerium die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden ins Boot. Der Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen errichtet das 13,7 Millionen Euro teure Synagogenzentrum. Das Land Brandenburg bezahlt und die Zentralwohlfahrtsstelle wird das Synagogenzentrum betreiben. Kulturministerin Manja Schüle (SPD) lädt nach der Grundsteinlegung ein zu »koscheren Häppchen und koscherem Wein«. Sie weiß, dass bei keiner Grundsteinlegung für eine katholische Kirche »die Kulturministerin für das Catering zuständig wäre«. Aber der deutsche Staat habe ja auch keine Kirchen zerstört und keine sechs Millionen Katholiken ermordet, sagt sie mit Blick auf die Pogromnacht am 9. November 1938 und auf den Massenmord an den Juden in den Gettos und Vernichtungslagern während des Zweiten Weltkriegs.

Die Potsdamer Synagogengemeinde von Ud Joffe steht im Moment abseits. Im März hatte Joffe Ideen für die Gestaltung des Zentrums vorgestellt, die vom Entwurf des Architekten Jost Haberland abweichen. Zur Grundsteinlegung ist Joffe dennoch erschienen. Dafür dankt ihm Ministerin Schüle ausdrücklich. Auch wenn es ihr Joffe nicht immer leicht gemacht habe, so habe er sich doch mit Leidenschaft für die Synagoge eingesetzt, erkennt sie an. Sie hoffe, dass er die fertige Synagoge doch einmal als seine annehmen werde. Architekt Haberland erläutert seinen Entwurf, der ein mehrgeschossiges Gebäude aus hellen Ziegeln vorsieht, einen neun Meter hohen Gebetsraum mit Platz für bis zu 100 Gläubige, der etwa einen Meter ins Straßenland hineinragt, eine Empore für Frauen. Haberland streckt die Hand aus und zeigt, wo der Schrein für die Thorarollen hinkommt. Aber auch ein Musikzimmer, Büros und eine Dachterrasse mit Ausblick werde es geben. »Es verspricht, auch außerhalb der Gottesdienste ein lebendiges Haus zu werden«, erklärt der Architekt.

Als einen »Baustein« zum Gelingen des Projekts sieht der Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) einen Antrag, den er persönlich geschrieben hat und den das Stadtparlament im Dezember vergangenen Jahres mit großer Mehrheit annahm. Darin unterstrich die Kommunalpolitik ihr großes Interesse daran, dass die Synagoge endlich gebaut wird. Im Jahr 2024 soll sie nun fertig werden. Dann wird Potsdam tatsächlich zwei Synagogen haben. Denn eine kleine Synagoge eröffnete bereits im August 2021 mit dem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit am Rande des Schlossparks Sanssouci. Dort werden Rabbiner ausgebildet.

1767 gab es am Wilhelmplatz die erste Potsdamer Synagoge. Sie wurde 1802 umgebaut und 1903 durch einen Neubau ersetzt. In der Pogromnacht am 9. November 1938 schändeten die Faschisten diese Synagoge, demolierten dabei die Inneneinrichtung. Anders als bei vielen anderen Synagogen in Hitlerdeutschland wurde aber in Potsdam kein Feuer gelegt, da die Hauptpost nebenan nicht in Mitleidenschaft gezogen werden sollte. Die Post nutzte die leere Synagoge dann, bis das Gebäude bei einem Bombenangriff im April 1945 schweren Schaden nahm. 1954 wurde die Ruine abgetragen.

Die letzten der vormals 600 Potsdamer Juden waren 1942 in das Ghetto von Riga deportiert und größtenteils ermordet worden. An die Stelle der Synagoge wurde ein Wohnhaus gesetzt. Eine Gedenktafel erinnert daran, was sich dort früher befunden hat.

»Heute schützt der deutsche Staat jüdische Gemeinden vor Anschlägen, während er in der Nazizeit selbst der Urheber war«, erinnert Zentralratspräsident Schuster. Die Grundsteinlegung nennt er »ein sichtbares Zeichen unseres Glaubens an eine Zukunft in Deutschland«. Denn: »Wer baut, der bleibt!«

Doch vollkommen sicher dürfen sich Juden in der Bundesrepublik im Moment nicht fühlen. »Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beunruhigen die Mitglieder der jüdischen Gemeinden«, weiß Abraham Lehrer, Vorstandsvorsitzender der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Bei aller Erinnerung an die Schrecken der Nazizeit, Abraham Lehrer möchte die positiven Phasen der Geschichte mit jüdisch-christlicher Zusammenarbeit nicht unerwähnt lassen. Er weiß natürlich und sagt es auch: Pogrome und die Zerstörung von Synagogen gab es bereits, lange bevor die Faschisten an die Macht gelangten.

»Dieses Nebeneinander von großer Freude aber auch großem Leid prägt die Geschichte jüdischen Lebens«, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). »In der Mitte der Stadt, in Sichtweite des Landtags, wird die Synagoge ein klares Bekenntnis zum Judentum sein«, meint er und fügt hinzu, er sei »sehr glücklich« darüber. Das Bekenntnis sei bitter nötig angesichts des neofaschistischen Angriffs auf die Synagoge von Halle im Oktober 2019 und angesichts der Beschimpfungen, die jüdische Mitbürger auf der Straße und im Internet leider immer wieder erleben müssen.

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