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Abwehr und Wille zur Hilfe
EU und die deutsche Politik sind uneins über das Vorgehen an den Außengrenzen
Die Nachbarländer von Belarus machen dicht, in der EU und in Deutschland wird derweil darum gestritten, ob man in der Auseinandersetzung mit dem belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko die von ihm durchgelassenen Migrant*innen an der Ostgrenze mit Gewalt abschrecken oder sie aufnehmen solle. Angesichts der zugespitzten Lage an der EU-Ostgrenze zu Belarus hat EU-Ratschef Charles Michel von den anderen Mitgliedsländern Unterstützung für Polen, Lettland und Litauen gefordert. »Einer für alle und alle für einen«, sagte der Belgier am Dienstag in einer Rede zum Jahrestag des Mauerfalls in Berlin.
Nachdem Polen 12 000 Sicherheitskräfte an seine Ostgrenze geschickt und am Dienstag einen Grenzübergang geschlossen hatte, denkt man nun über eine komplette Grenzschließung nach. Südlich von Belarus verstärkt die Ukraine ihre Grenztruppen an seiner sumpfigen, bewaldeten rund 1000 Kilometer langen Nordgrenze.
In Litauen gilt wie in Polen seit Mittwochmorgen ein Ausnahmezustand. Er ist auf einen Monat und einen Fünf-Kilometer-Korridor zur Grenze beschränkt. Wie in Polen auch haben Journalist*innen keinen Zugang zur Sperrzone. Außerdem gelten Einschränkungen auch in mehreren Migrant*innenunterkünften, wo auch die schriftliche und elektronische Kommunikation eingeschränkt wird.
Polnische Grenzschützer stoppten auch einen Bus deutscher Aktivist*innen, die Hilfsgüter an die Grenze zu Belarus bringen wollten (»nd« berichtete). »Es ist der Tag des Mauerfalls, und es wichtig, dass wir uns für Menschenrechte statt für Mauern entscheiden«, sagte Initiativensprecher Ruben Neugebauer. »Was wir jetzt machen, ist die AfD-Politik, die wir 2015 nicht gemacht haben an der Grenze der Europäischen Union«, sagte der Migrationsforscher Gerald Knaus am Mittwoch im ARD-»Morgenmagazin«.
An der Grenze zu Belarus gelang es laut polnischen Angaben zwei Gruppen, die Grenze zu durchbrechen. Weitere Menschen versuchen offenbar, die Grenze zu übertreten. In Litauen stoppten Grenzschützer am Dienstag 171 Versuche von Migranten, die Grenze zu überwinden. Das sei mehr als in den Vortagen, es gebe aber keine größeren Unruhen, hieß es. Zwölf EU-Länder, darunter Polen, Litauen und Lettland, aber auch Dänemark, Österreich oder Ungarn, hatten Anfang Oktober von der EU-Kommission gefordert, »physische Barrieren« gegen unerwünschte Migration an den Außengrenzen teilweise aus EU-Mitteln zu finanzieren. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erteilte dem eine Absage. Die EU setzt aber 13 Staaten wie die Türkei, Irak und Ägypten wegen der Flüchtlingsflüge nach Belarus unter Druck.
Doch nicht nur Abwehr wird gefordert: Frankreichs Europa-Staatssekretär Clément Beaune forderte in der Nationalversammlung ein entschlossenes europäisches Vorgehen, ohne dabei humanitäre Werte aus dem Blick zu verlieren. Auch der noch amtierende deutsche Außenminister Heiko Maas will eine Verschärfung der Sanktionen gegen Belarus und Sanktionen gegen an der Schleusung von Migrant*innen beteiligte Herkunftsländer, Transitstaaten und Fluggesellschaften. Der SPD-Politiker will aber auch Hilfe für die Geflüchteten an der Grenze. Man wolle eine humanitäre Politik an der Grenze, die EU müsse aber auch dafür sorgen, dass keine neuen Flüchtlinge mehr nachkommen, so der designierte SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gegenüber »Bild«. FDP-Chef Christian Lindner will verschärfte Sanktionen, forderte Polen aber auch auf, Angebote zur humanitären Hilfe für die Geflüchteten anzunehmen.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der »Welt«. »Erstens: Nein zu menschenunwürdigen Pushbacks. Und zweitens: Ja zu Solidarität.« Zugleich müsse die EU ihre Sanktionen gegen Belarus verschärfen. Die Linke-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow forderte »ein geregeltes Asylverfahren« und »ein unbürokratisches Aufnahmeprogramm, in Deutschland und europaweit«. Der Zentralrat der Jesiden in Deutschland forderte eine Aufnahme der Flüchtlinge in die EU. Nach seinen Erkenntnissen harren derzeit auch einige Hundert Jesidinnen und Jesiden an der Grenze aus.
Dagegen erklärte Noch-Innenminister Horst Seehofer (CSU): »Wir müssen der polnischen Regierung bei der Sicherung der Außengrenze helfen.« Er regte auch verstärkte gemeinsame Streifen an der deutsch-polnischen Grenze an. CDU und CSU fordern auch Landeverbote für an Schleusungen beteiligte Fluggesellschaften und als letztes Mittel auch zeitlich befristete Grenzkontrollen.
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