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  • Solidarität für Flüchtlinge

Warme Socken als Willkommensgeschenk

Solidaritätsaktionen für Flüchtlinge an der Grenze zu Polen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ach, zwei Schlafsäcke hätten wir auch noch gehabt«, sagt die ältere Frau zu ihrem Mann. Gerade hat das Ehepaar zwei Einkaufstüten an einem Informationsstand neben der Altstadtbrücke in Görlitz abgestellt. Dort liegt neben Schuhen und Kleidung auch schon ein dicker Winterschlafsack. Die Taschen des Ehepaars enthalten Socken, Schals und warme Mützen. »Haben wir extra gekauft«, sagt sie, während der Wind eisig über die Neiße bläst, die hier die Bundesrepublik von Polen trennt.

Über diese Grenze kommen in den vergangenen Tagen zunehmend nicht nur Touristen oder Menschen, die auf der einen Seite wohnen und auf der anderen arbeiten, sondern auch Flüchtlinge. Sie stammen vorwiegend aus dem Irak, aber auch aus Ländern wie Syrien und Afghanistan. Sie wurden mit dem Versprechen, in die Europäische Union gelangen zu können, nach Belarus gelockt; und sie haben es, anders als Tausende dort festsitzende Migranten, über die schwer bewachte EU-Außengrenze im polnischen Osten geschafft. Jetzt tauchen sie nachts in den Straßen von Görlitz auf - und zwar »in viel zu dünner Kleidung«, sagt die ältere Frau: »Sie frieren jämmerlich.«

Der Infostand an der Görlitzer Brücke will in dieser prekären Lage für Hilfe sorgen. Er ist Teil einer Aktion, die am Freitag an vielen Grenzübergängen zwischen Deutschland und Polen stattfand: in Frankfurt (Oder) und Guben, Bad Muskau, Zittau und Ostritz. Organisiert wurde sie vom Sächsischen Flüchtlingsrat (SFR) und dem brandenburgischen Verein »Wir packen’s an«, der Nothilfe für Geflüchtete organisiert. Vordergründiges Anliegen ist es, Spenden zu sammeln, um praktische Hilfe für die Flüchtlinge zu leisten: Kleidung, Taschenlampen und Powerbanks, mit denen sie unterwegs ihre Handys laden können.

Zugleich geht es um ein Zeichen der Solidarität mit Menschen auf der Flucht, die nicht allen willkommen sind. Nicht nur Polens Regierung setzt auf Abwehr; auch in der Bundesrepublik warnen Politiker vor »Überlastung«, obwohl die Lage nicht mit der von 2015 zu vergleichen ist. Die Zahl der Menschen, die von Juni bis Oktober in Sachsen ankamen, sei zwar im Vergleich zu 2020 von 1569 auf 3108 gestiegen, sagt die linke Landtagsabgeordnete Jule Nagel unter Verweis auf Zahlen des Innenministeriums. 2015 seien es im gleichen Zeitraum aber 36.756 gewesen. Rechtspopulisten und -extreme beginnen dennoch, das Thema zu instrumentalisieren. Die AfD warnt vor »illegaler Masseneinwanderung«; Nazis organisieren Grenzpatrouillen, um einen vermeintlichen »Sturm auf Deutschland« abzuwehren.

Dem will die Willkommensinitiative andere Signale entgegen setzen. Es sei, heißt es in ihrem Aufruf, »die Verantwortung aller, (...) das sichere Ankommen zu ermöglichen.« Unter Anspielung auf eine Äußerung von Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der erklärt hatte, Europa brauche Zäune »und vermutlich auch Mauern«, heißt es im Aufruf, das stehe »allem entgegen, was einmal der Anspruch Europas war«. Dieser gelte um so mehr an der Ostgrenze der Bundesrepublik. Die Oder-Neiße-Grenze stehe »symbolisch für das Europa des `Nie wieder!’ und gegen den Faschismus.« Gefordert wird, Verantwortung zu übernehmen und »einen humanitären Korridor von Belarus durch Polen nach Deutschland« zu schaffen.

Noch gibt es diesen nicht; trotzdem kommen Menschen an und benötigen Hilfe. In Görlitz sei dafür ein Willkommensbündnis wiederbelebt worden, das seit 2015 besteht, sagt Mirko Schultze, örtlicher Landtagsabgeordneter der Linken. Vorerst sammle man Spenden, die über den Verein »Wir packen´s an« an die belarussische Grenze gebracht würden. »Wir wollen aber auch gewappnet sein, wenn hier mehr Bedarf besteht«, sagt er und betont: »Wir sind bereit, die Menschen aufzunehmen. Wir haben Platz.« Bisher werden Flüchtlinge, die in Ostsachsen von der Bundespolizei aufgegriffen werden, nach kurzen Formalitäten in die Erstaufnahmelager weitergeschickt. In Leipzig sollen dafür 650 zusätzliche Plätze entstehen, sagt Nagel und merkt entrüstet an: »In Zelten! I Jetzt, im Winter!« Sie hat in Gesprächen mit Geflüchteten erfahren, dass die Bundespolizei diesen oft auch die Mobiltelefone abnehme. Vielleicht, sagt die, »sollten wir auch nicht mehr gebrauchte Handys sammeln«. Aber noch steht die Hilfsaktion ja am Anfang.

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