Vor dem Corona-Kollaps

Polizei am Limit, Schulen schwer betroffen, Krankenhäuser voll: Sachsen zieht Notbremse

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei der sächsischen Polizei gibt es zahlreiche Corona-Fälle, weswegen die Deutsche Polizeigewerkschaft vor dem »Corona-Kollaps« warnt. Ihren Angaben zufolge waren zuletzt 400 Beschäftigte mit dem Virus infiziert und weitere 600 in Quarantäne. Insgesamt hat die Polizei im Freistaat 14 000 Beschäftigte; die Quote der Betroffenen läge also bei gut sieben Prozent. Landeschefin Cathleen Martini sagt, man befinde sich »kräftemäßig am Limit«. Der Dienstbetrieb werde zwar aufrecht erhalten: »Aber wie lange noch?«

Die Polizeiführung wies die Sorge zurück. Die Gewerkschaft habe Zahlen »fälschlicherweise addiert«, hieß es auf Anfrage des »nd« aus der Stabsstelle Kommunikation. Vorige Woche seien 682 Beamte in Quarantäne gewesen, davon 413 Infizierte. Zu Wochenbeginn waren 790 in Quarantäne, davon 482 mit dem Virus Infizierte. Das » hohe Infektionsgeschehen« im Land schlage sich in Form von Erkrankten und Bediensteten, die sich in Quarantäne befinden, zwar auch bei der Polizei nieder. Die Einsatzfähigkeit sei jedoch »aktuell nicht gefährdet«, wurde betont.

Die Gewerkschaft wirft dem Innenministerium vor, sich nicht ausreichend um Impfungen und vor allem deren Auffrischung gekümmert zu haben. Eine Impfkampagne sei im Sommer beendet worden. Die Polizeiführung verweist auf zuletzt geringe Nachfrage. Ab nächster Woche wolle man den Beamten aber nun Boosterimpfungen anbieten, hieß es. Die Gewerkschaft behauptet, 80 Prozent der Erkrankten seien geimpft.

Überprüfen lässt sich das nicht. Unklar ist auch, wie hoch die Impfquote unter Polizeibeamten insgesamt ist. Kürzlich war bekannt geworden, dass sich ein Fünftel der Polizeianfänger nicht impfen lassen will. Anlass war ein Festakt zum Dienstantritt, zu dem aber nur 427 von 714 frisch vereidigten Polizisten erscheinen konnten, weil er unter 2 G-Regularien stattfand. Die »Sächsischen Zeitung« zitierte den Landespolizeipräsidenten Horst Kretzschmar mit der Aussage, die Polizei habe beim Thema eine Vorbildfunktion: »Der Bürger hat ein Anrecht, auf geimpfte Polizeibeamte zu treffen.« Es gebe aber keine Impfpflicht. Seinen Angaben zufolge seien 70 bis 80 Prozent der sächsischen Polizisten geimpft oder genesen.

In der Gesamtbevölkerung des Freistaats verharrt die Impfquote weiter bei 57,6 Prozent, die niedrigste bundesweit. Gleichzeitig verzeichnet Sachsen den höchsten Zuwachs bei den Neuerkrankungen. Die 7-Tages-Inzidenz nähert sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) mit 960,7 der Marke von 1000. In sieben Landkreisen ist diese bereits übertroffen; Spitzenreiter ist die Region Sächsische Schweiz/Osterzgebirge mit einer Inzidenz von 1618.

Die Krankenhäuser sind vor allem in Ostsachsen voll; mit 455 Corona-Patienten auf Intensivstationen ist im Freistaat die Überlastungsstufe erreicht. Der überwiegende Teil dieser Patienten sei ungeimpft, sagte Erik Bodendiek, Präsident der Landesärztekammer, im Interview des »Deutschlandfunk«, in dem er davor warnte, dass bald zwei Patienten um ein Bett »kämpfen müssen«. Im Laufe der Woche will er mit Kollegen die Regularien besprechen, nach denen bei knappen Ressourcen entschieden werden muss, wem zuerst geholfen wird. Auf die Frage, ob diese »Triage« genannte Auswahl unmittelbar anstehe, sagte er: »Ja, das ist akut.«

Angesichts der dramatischen Lage hatte Sachsens Landesregierung eine Notverordnung beschlossen, die seit Montag in Kraft ist. Für drei Wochen bleiben Kultur- und Freizeiteinrichtungen geschlossen. Weihnachtsmärkte finden nicht statt. Restaurants dürfen nur zeitlich begrenzt für Geimpfte und Genesene öffnen. Auch in Läden jenseits der Grundversorgung gilt die 2 G-Regel. Für Ungeimpfte greifen Kontaktbeschränkungen und in Kreisen mit einer Inzidenz über 1000 auch nächtliche Ausgangssperren.

Es gibt Zweifel, ob das ausreicht, um die Zahl der Infektionen deutlich zu reduzieren. Die Linke fordert einen »harten Lockdown«. Der von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) so genannte »Wellenbrecher« werde nicht ausreichen, sagte Fraktionschef Rico Gebhardt und forderte, das öffentliche Leben »für mindestens 14 Tage zum Stillstand kommen« zu lassen. Bisher sind etwa Schulen prinzipiell weiter geöffnet. Infektionsausbrüche sorgen aber derzeit dafür, dass an 160 Einrichtung – etwa jeder zehnten – einzelne Klassen zeitweise zu Hause bleiben müssen oder ganze Schulen geschlossen sind. Immerhin wurde jetzt die Pflicht zum Schulbesuch vorübergehend aufgehoben.

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