Ich hasse Spaß

Spaß und Verantwortung: Spas sind die Spaßbäder der Erwachsenen

  • Olga Hohmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Als Kind bekam ich regelrecht Angst, wenn ich zu den Geburtstagen meiner Schulfreund*innen ins sogenannte Spaßbad fahren musste. Mein größter Horror bei der schaurigen Spaßveranstaltung waren die Wasserrutschen. Schon im Auto spürte ich meine Angst wachsen, während die anderen Kinder die Unterschiede der Gerätschaften diskutierten. Es gab die »Reifenrutsche« (bei der man auf einem Schwimmreifen saß), die »Lichterrutsche« (bei der bunte Lichter an- und ausgingen) und natürlich die »Todesbahn«, an deren Charakteristika ich mich nicht mehr erinnern kann, abgesehen davon, dass sie absolut schrecklich waren - und stockdunkel war es auch, wie in der Geisterbahn. Schnell stellte sich unter uns Kindern eine Hierarchie her: Wer ist härter drauf?

Die phonetisch verwandte Erwachsenenversion der furchterregenden Spaßbäder aus der Kindheit sind die sogenannten Spas. Der Begriff »Spa« kommt aus dem Lateinischen - von »sanus per aquam« - und heißt übersetzt »gesund durch Wasser«. Es handelt sich also um Wellnessorte, an denen man zum Beispiel Saunas und Dampfbäder besuchen, Massagen buchen und in der »Digital Detox«-Zone herumliegen kann. Diese Orte haben stolze Eintrittspreise, sollen einen aber (»erwiesenermaßen«) gesünder und glücklicher machen. Auch unter einigermaßen betuchten Erwachsenen stellt sich hier schnell eine Hierarchie her: Wer entspannt sich offiziell am besten - und sieht dabei am ansehnlichsten aus?

Spaß und Verantwortung
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist, und versucht es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen.

Das berühmteste Spa Berlins befindet sich direkt neben einem Gefängnis - sein Name ist eine Variation auf eine indonesische Insel, die bei Deutschen als Urlaubsziel sehr beliebt ist. Obwohl ich in der letzten Zeit mehrmals die Woche von verschiedenen Leuten (einschließlich Arbeitgebern) aufgefordert werde, doch mal ein Spa zu besuchen (eingeleitet durch Sätze wie: »Du siehst aber müde aus«, »Entspann dich mal«, »Ich glaube, du brauchst Urlaub« oder einfach »Ist alles okay bei dir?«), habe ich mich, nach meinem einmaligen Besuch jenes Spas neben dem Gefängnis entschieden, nie wieder einen solchen Ort aufzusuchen.

Nicht nur sitzt man dort neben Schlüsselfiguren der Berliner Kulturelite nackt auf Holzbänken (ein Umstand, der mir - nicht ganz von Körperscham befreit - äußerst unangenehm ist), ich wurde auch auf besonders irritierende Weise angegraben. Ein Mann, der mir den ganzen Nachmittag, nackt natürlich, von Sauna zu Sauna gefolgt war, fasste sich irgendwann ein Herz und setzte sich, schlussendlich im Dampfbad, direkt neben mich, um mich in ein Gespräch zu verwickeln. Er leitete es mit der Frage »Na, was machst du so beruflich?« ein. Die Nüchternheit, mit der er das Gespräch begann, irritierte mich angesichts unserer beider Nacktheit besonders. Irgendwie wäre es mir fast schon plausibler vorgekommen, hätte er mir ein Kompliment für meine Schamhaare gemacht.

Mein Besuch in dem Spa neben dem Knast war ohnehin ein Misserfolg auf ganzer Linie. Erst hatte ich eineinhalb Stunden in der prallen Sonne vor dem Eingang auf meinen Freund gewartet, der mich nach einigem Hin und Her endgültig versetzte, obwohl er selbst den Besuch angeregt hatte - ich hatte nur widerwillig zugestimmt, mitzukommen. Mit Sonnenbrand im Gesicht und Sonnenstich im Hirn hatte ich dennoch das teure Eintrittsgeld bezahlt und war allein hineingegangen, trotzig und wütend.

In der ersten Sauna geriet ich in einen Birkenaufguss, bei dem zwei mit Lendenschurz bekleidete Jünglinge weiße Birkenzweige über ihren Köpfen gegeneinanderschlugen und dabei im Kreis gingen. In meinem Trotz hatte ich mich spontan entschlossen, meine Birkenallergie zu ignorieren, und war auf der heißen Holzbank sitzen geblieben. Meine Sturheit rächte sich sofort - zusätzlich zu meinem ohnehin schon hochroten Gesicht schwoll jetzt auch noch mein Hals- und Nasenbereich enorm an, und ich entwickelte Atembeschwerden. Ich war regelrecht erstaunt, dass der nackte Mann dennoch das Bedürfnis verspürte, mit mir zu flirten.

Auf dem Weg nach Hause wurde mir in der U-Bahn vor Kurzatmigkeit und Stress mehrmals kurz schwarz vor Augen, was mich spontan an die ebenfalls stockdustere Todesbahn im Spaßbad denken ließ. Der Horror des Spaßbades von damals wird für mich nur durch den der Spas übertroffen. Ich hasse Spas.

Eine berühmte Schauspielerin sagte einmal, der schönste Ort der Welt wäre »besoffen im Bett«. Ich glaube, in Zukunft vertraue ich meiner Intuition und entspanne mich lieber auf ihre Art.

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