Ampel-Blockade im Bundesfinanzministerium

Das finanz- und steuerpolitische Kapitel im Koalitionsvertrag wird von allen Seiten als Stillstand kritisiert

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Christian Lindner hat es geschafft. Lange vor den Koalitionsverhandlungen beanspruchte er das Bundesfinanzministerium für sich. »Kein künftiger Finanzminister darf auf viel Applaus hoffen. Er wird öfter Nein sagen müssen. Aber ich wäre bereit dazu«, sagte der FDP-Chef mitten im Wahlkampf der »Bild«-Zeitung. Es sei wichtig, dass nicht die Grünen mit Herrn Habeck den nächsten Finanzminister stellen, sondern die FDP.

Nun regiert Linder zwar zusammen mit Robert Habecks Grünen und der SPD von Olaf Scholz, dafür konnte er seinen Regierungspartner*innen bei den Verhandlungen um den Koalitionsvertrag das Bundesfinanzministerium abringen. Das ist Lindners erster großer Schachzug. Nummer zwei ist in Sachen Finanzpolitik die beschlossene Wiedereinhaltung der Schuldenbremse ab 2023.

Nun hält Lindner die Schlüssel des Nazibaus in der Wilhelmstraße 97, in dem sich das Bundesfinanzministerium befindet, in der Hand. Die Frage ist nur, was er damit anfangen kann. Zwar wird er über die Vorhaben von SPD und Grünen das Veto des Finanzierungsvorbehalts baumeln lassen können. Viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten wird er aber nicht haben, wie ein Blick in den Koalitionsvertrag offenbart. Zu sehr blockieren sich SPD und Grüne auf der einen und die FDP auf der anderen Seite da. So fallen die Kommentare zu den finanz- und steuerpolitischen Beschlüssen der Ampel-Koalition eher mau aus.

»Das Steuerkapitel ist nur eine jämmerliche DIN-A4 Seite lang. Mehr Stillstand geht in Sachen Steuern in der größten Volkswirtschaft Europas nicht«, erklärt der ehemalige Finanzminister von Brandenburg, Christian Görke, der in der neuen Legislaturperiode für die Linkspartei im Bundestag sitzt. So haben Grüne, SPD und FDP eine Steuerreform versprochen. Da SPD und Grüne aber Spitzenverdienende und hohe Vermögen tendenziell belasten wollten und die FDP diese entlasten wollte, wurde aus dem großen steuerpolitischen Wurf nichts.

»Die Gegensätze der Ampel-Parteien in der Steuerpolitik finden sich im Koalitionsvertrag wieder: Die Koalitionäre wollen keine größeren Projekte in Angriff nehmen«, schreibt denn auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Bei großen Steuerfragen drohe weiterhin Stillstand. Und auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Rainer Hoffmann, teilt in einer ersten Einschätzung des Koalitionsvertrags mit: »Wer mehr Fortschritt wagen will, darf sich nicht vor einem Einstieg in eine gerechte Steuerpolitik drücken. Dazu haben sich die zukünftigen Ampelkoalitionäre nicht durchringen können.«

Auf einhellige Kritik stößt auch das Zurück zur Schuldenbremse. Denn damit bleibt die Frage offen, wie die nötigen Investitionen in die Energiewende und die Digitalisierung getätigt werden können. SPD und Grüne nannten im Wahlkampf eine Hausnummer von jährlich 50 Milliarden Euro für nachhaltige Investitionen. Da sprach sich auch die Industrie für einen kreativeren Umgang mit der Schuldenbremse aus.

»Insgesamt bleibt jedoch fraglich, ob die erforderlichen Zukunftsinvestitionen so finanziert werden können. Es droht Stückwerk«, schreibt folglich nun auch das arbeitgebernahe IW. So will die Ampel-Koalition sich zwar mehr finanziellen Spielraum verschaffen, in dem sie öffentliche Unternehmen wie die Deutsche Bahn und Bundesanstalt für Immobilienaufgaben besser mit Eigenkapital ausstattet. Auch die Förderbank KfW eine wichtiger Rolle spielen und klimaschädliche Subvention sollen abgeschafft werden. Doch wie viel das alles bringen soll, taxiert die Ampel nicht.

So kritisiert DGB-Chef Hoffmann nicht nur, dass der Koalitionsvertrag bei der konkreten Bezifferung der Investitionsbedarfe »mutlos« bleibe. Auch für ihn bleibt die Finanzierung der geplanten Maßnahmen »völlig ungeklärt«. Das finanzpolitische Fazit: »Mit einer Rückkehr zur Schuldenbremse bereits im Jahr 2023 nimmt sich die neue Bundesregierung den finanziellen Spielraum, den sie dringend braucht, um massiv zu investieren, die Wirtschaft zu dekarbonisieren und unser Land zukunftsfest zu machen«, erklärt Hoffmann.

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