Die Hoffnung heißt Xiomara Castro

Bei den Präsidentschaftswahlen in Honduras stehen die Zeichen auf Wechsel

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Joaquín Mejía Rivera ist skeptisch. »Die Umfragen sind positiv, ja. Sie sehen Xiomara Castro mit rund zehn Prozentpunkten vor Nasry Asfura, dem Statthalter von Hernández und der Partido Nacional.« Doch der Rechtsanwalt und Analyst des jesuitischen Forschungszentrum ERIC-SJ weiß: »Es geht nicht allein um Stimmen, es geht um Strukturen, und die wird der Clan um den derzeitigen Präsidenten Juan Orlando Hernández nach einem Putsch, einer oder vielleicht auch zwei gefälschten Wahlen nicht einfach kampflos aufgeben.«

Mejía wurde in Honduras gerade wegen seiner pointierten Analysen oft bedroht und verfolgt. Der sportliche Jurist aus El Progreso, einer Kleinstadt nahe der industriellen Drehscheibe San Pedro Sula, stand über Jahre unter Personenschutz. Gerade ist er in Spanien in Sicherheit und hofft, dass die Wahlen etwas am System Hernández ändern werden. Doch dafür braucht es mehr als nur Wahlstimmen, denn der derzeitige Präsident Juan Orlando Hernández hat ein System aufgebaut, das auf Korruption, Klientelismus und hemmungsloser Ausbeutung fußt und dessen staatliche Institutionen weitgehend von den Seilschaften rund um die konservative Partei dominiert werden. Dieses System aus den Angeln zu heben ist alles andere als leicht, denn Mehrheiten im Parlament sind dazu genauso nötig wie internationale Rückendeckung.

Wie schon in der Vergangenheit werden auch bei den Wahlen 2021 die USA das berühmte Zünglein an der Waage sein. Mehrfach haben sie die linksliberale Demokratiebewegung im Stich gelassen, wie 2009, als der demokratisch legitimierte Präsident José Manuel Zelaya aus dem Amt geputscht wurde; nun tritt dessen Frau Xiomara Castro an. Der Grund für den Putsch waren die ersten, vorsichtigen strukturellen Sozialreformen Zelayas. Im Schlafanzug wurde er seinerzeit aus dem Präsidentenpalast geschleppt - mit Billigung der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton. Auch bei den folgenden Wahlen 2013 und 2017 haben die USA still gehalten und dem Treiben zugesehen, das die erzkonservative Clique um den derzeit seine zweite Amtszeit ausklingen lassenden Präsidenten Juan Orlando Hernández veranstaltete.

Stimmenkauf und offene Wahlmanipulation wurden von den USA ignoriert und der Ausbau eines hyperkorrupten System unter der Regie von Juan Orlando Hernández toleriert. Dabei liegen harte Fakten vor. Nur ein Beispiel: Der Bruder des Präsidenten Antonio Hernández sitzt in den USA wegen Drogenschmuggel und Mord lebenslang in Haft. Ermittelt wird auch gegen den noch amtierenden Präsidenten - wegen Geldwäsche, illegaler Wahlkampffinanzierung und Drogenschmuggel.

Wenn auch nicht Hernández selbst, der aus Verfassungsgründen nicht mehr antreten darf, so steht doch das System Hernández erneut zur Wahl. »Ökonomische Interessen einflussreicher US-Politiker in Honduras sind dafür mitverantwortlich«, meint Mejía Rivera. Er begrüßt zwar die Bemühungen der Administration Biden, Initiativen gegen Korruption und für die Stärkung der Justiz zu initiieren, aber viel Zählbares sei dabei noch nicht herausgekommen. »Es gibt konservative Seilschaften«, sagt er schulterzuckend. Er ist skeptisch, dass sich mit dem Wahlen vom Sonntag Grundlegendes ändern wird.

Perspektiven für die Menschen in Honduras wären durchaus auch im Interesse der USA, denn die Zahl der Karawanen steigt, die über San Pedro Sula den Weg nach Norden gen USA antreten. »Es gibt viele junge Menschen, die die Hoffnung aufgegeben haben, dass sich hier über die Wahlen noch etwas ändern lässt«, sagt Donny Reyes. Der 45-Jährige lebt offen homosexuell und arbeitet für eine Menschenrechtsorganisation. Ihm fehlt auch eine klare Linie bei der Opposition. Er verweist auf die Tatsache, dass Xiomara Castro für eine Parteienallianz antritt. »Da gibt es unterschiedliche Interessen, wir brauchen aber eine grundlegende Reformagenda«, so Reyes.

Die diffuse Agenda könnte Xiomara Castro Stimmen kosten. Das ist ein Problem, ein anderes ist, dass die konservative Partido Nacional Stimmen kauft. Bis zu 7000 Lempiras, rund 260 Euro, wird gezahlt. Viele der verarmten Honduraner*innen können das Geld mehr als gut gebrauchen. Woher es kommt, ist unklar. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass Drogenkartelle der ihr nahe stehenden Partido Nacional wie in den Wahlen zuvor wieder unter die Arme gegriffen haben, ist groß. Nicht wenige in Honduras sind der Meinung, dass das Land längst keine Demokratie mehr sei, sondern ein Drogenstaat. Die Wahlen am Sonntag sind dafür ein Test mehr.

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