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Wundervolle Schmerzen in Liverpool
Zirkus Europa: Die Reds - und wieder der AC Mailand
Jüngst gab es ein Wiedersehen mit Rafael Benítez. Ist ja auch nicht so weit von der Anfield Road bis zum Goodison Park. Zu Fuß eine Viertelstunde durch den Stanley Park. Mit dem Bus nicht mal fünf Minuten über die Walton Lane – eine Fahrt zum Nahverkehrstarif in eine unvergängliche Vergangenheit. Der Spanier Benítez trainiert seit dieser Saison die Blauen vom FC Everton, berühmt geworden ist er aber beim größeren Fußballverein der Stadt, bei den Roten vom FC Liverpool. »Rafas Beziehung zu diesem Klub ist unglaublich positiv«, sagt Jürgen Klopp, Benítez’ Nach-Nach-Nach-Nachfolger bei den Roten. Ihm hat es dann aber dennoch ganz gut gefallen, dass seine Mannschaft am vergangenen Donnerstag in der Premier League mit 4:1 gegen den Mann siegte, dem die Reds einen der größten Erfolge ihrer jüngeren Vereinsgeschichte zu verdanken haben.
Früher schlicht Pokal der Landesmeister genannt, ist die Champions League heute inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Ein Blick auf den kommenden Spieltag.
Es war Rafael Benítez, der im Mai 2005 beim irrwitzigsten Finale in der Champions League überhaupt auf der Liverpooler Bank saß. »Ob es das beste Spiel aller Zeiten war? Das sollen andere bewerten«, sagt der damals ebenfalls beteiligte deutsche Nationalspieler Dietmar Hamann, aber ganz bestimmt sei es »das unglaublichste«.
An diesem Dienstag gastiert der FC Liverpool zum Abschluss der diesjährigen Gruppenphase im europäischen Fußball-Zirkus beim AC Mailand. Milan versus Liverpool – so lautete auch die Ansetzung an jenem 25. Mai 2005 im Atatürk-Stadion von Istanbul. Milan legte eine erste Halbzeit hin, wie sie besser kaum vorstellbar ist. Nach nicht einmal einer Minute schoss Paolo Maldini das 1:0, Hernán Crespo legte kurz vor der Pause zwei weitere Tore nach. 0:3 zur Halbzeit – im Stadion machte sich so etwas wie Langeweile breit.
Liverpools Trainer Rafael Benítez kommt auf die schräge Idee, den defensiven Arbeiter Dietmar Hamann einzuwechseln. Der Bayer hat seinen Karrierehöhepunkt überschritten, ist für den neuen Bundestrainer Jürgen Klinsmann keine Option mehr und hat auch bei den Reds keinen Stammplatz mehr. Was soll er noch ausrichten? Auf einer DVD mit dem schönen Titel »15 minutes that shook the world« werden Benítez in einer nachgestellten Kabinenansprache folgende Sätze in den Mund gelegt: »Follow the Kraut!« Und: »He will be like Rommel in his tank!«
Das muss man wohl nicht übersetzen, es hat sich auch so nicht abgespielt. Hamann, Liverpools liebster Kraut, wird später erzählen, niemand habe in der Kabine noch an eine Wende geglaubt. Dass es doch eine gibt, ist auch ihm zu verdanken. Steven Gerrard schafft nach neun Minuten das erste Tor, das zweite bereitet Hamann zwei Minuten später mit seinem Zuspiel auf Vladimir Šmicer vor. Weitere vier Minuten später stürzt Gerrard nach einem minimalen Körperkontakt mit Gennaro Gattuso so spektakulär, wie er das nie in einem englischen Stadion wagen würde. Egal, Schiedsrichter Manuel Mejuto González entscheidet auf Elfmeter, den Xabi Alonso im Nachschuss zum 3:3 verwandelt.
Dann passiert lange Zeit nichts mehr – bis im Elfmeterschießen Hamann als erster Liverpooler trifft, obwohl er sich zuvor den Mittelfuß gebrochen hatte, aber das Adrenalin betäubt alle Schmerzen. Drei Minuten später löffelt Andrij Schewtschenko Milans letzten Elfmeter gegen die Hand des Liverpooler Torhüters Jerzy Dudek. 3:2. Die Reds feiern das Miracle of Istanbul.
Zwei Jahre später treffen beide Teams erneut im Finale aufeinander, diesmal in Athen, gar nicht so weit weg von Istanbul. Milan siegt 2:1, aber wer kann sich daran schon noch erinnern? Dieser Dienstag ist nur für den AC Mailand bedeutend, der gewinnen muss, um überhaupt noch eine Chance aufs Weiterkommen zu haben
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