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Biontech und Schokolade
Impfaktion in der Hennigsdorfer Grundschule Nord trägt bei zu mehr als 160 000 Impfungen pro Woche in Brandenburg
»Ich bin ein bisschen überfällig«, sagt Anke Sabrowski. Ihre zweite Corona-Impfung hatte sie bereits am 26. Mai. Sechseinhalb Monate ist das her. Fünfeinhalb Monate Abstand zur dritten Impfung, dem sogenannten Booster, sind empfohlen. Es geht auch schon früher. Darum hat Sabrowski es letztens bei einer Impfaktion am Rathaus von Hohen Neuendorf versucht. Aber die Warteschlange dort war einen Kilometer lang. Da hat sich die 49-Jährige nicht angestellt. Im Internet hat sie dann gelesen, dass es Samstag von 9 bis 16 Uhr einen Impftag in der Hennigsdorfer Grundschule Nord gibt. Da ist die Frau aus Birkenwerder mit ihrem Mann vor dem Wochenendeinkauf hergefahren.
Hier klappt es. Vor der Turnhalle bildet sich gegen 10.30 Uhr nur eine ganz kurze Schlange - und Oberstabsgefreiter Marvin Klarhole vom Feldjägerregiment 2 der Bundeswehr hält die Leute bei Laune, indem er Schokoladenherzen an sie verteilt. Bei den Sabrowskis müsste das nicht sein. Sie sind auch so in bester Stimmung. Beim Ausfüllen des Anmeldebogens für seine Frau macht der Mann Scherze, fragt zum Beispiel: »Schatz, bist du schwanger?« Es ist der mittlerweile elfte Impftag in Henningsdorf. Die Aktionen würden fair über das Stadtgebiet verteilt, erläutert Bürgermeister Thomas Günther (SPD). Die Turnhalle ist inzwischen das zweite Mal als Ort ausgewählt. Es geht zügig voran. Schon bald kann das Ehepaar Sabrowski drinnen an einem Tisch auf dem Handballfeld Platz nehmen und den Papierkram erledigen. Geimpft wird dann in zwei Umkleidekabinen.
Von 132 Millionen bisher in Deutschland verabreichten Impfungen entfallen 3,6 Millionen auf Brandenburg.
Von den über 60-Jährigen in Brandenburg gelten 82 Prozent als vollständig geimpft, 33 Prozent haben ihre Auffrischungsimpfung erhalten. Damit liegt Brandenburg im Bundesvergleich - so wie bei der Impfquote insgesamt - auf dem vorletzten Platz vor Sachsen.
In Brandenburgs Kliniken wurden am Sonntag 817 Corona-Patienten behandelt. 195 liegen auf der Intensivstation, 151 werden beatmet. 26 Prozent der verfügbaren Intensivbetten sind mit Corona-Patienten belegt.
Innerhalb von sieben Tagen haben sich 641,9 Brandenburger je 100 000 Einwohner mit dem Coronavirus infiziert.
Während der Inzidenzwert gerade wieder sinkt, steigt die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen weiter an.
Die Zahl der gemeldeten Todesfälle erhöhte sich am Sonntag um vier auf 4324. af
Die Stadt Hennigsdorf stellt die Turnhalle. Das Personal kommt vom Deutschen Roten Kreuz. Bei der Einweisung unterstützen drei Feldjäger. Auch sonst hilft die Bundeswehr im Landkreis Oberhavel bei der Bewältigung der Coronakrise. So sind 20 Soldaten bei der Kontaktnachverfolgung durch das Gesundheitsamt eingesetzt, wie Oberstleutnant Wolf-Michael Sturm erläutert. Der Offizier ist Verbindungsmann der Truppe für die Zusammenarbeit mit zivilen Stellen.
Bei ihm bedankt sich Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) für das Engagement der Bundeswehr, als sie am Samstagmorgen an der Grundschule Nord eintrifft. Wie viel Impfstoff hier denn heute zur Verfügung steht, möchte sie wissen. Je 300 Dosen Biontech und Moderna. Das dürfte für den Impftag in Hennigsdorf genügen. Vergangenen Dienstag im Bürgerzentrum Alte Feuerwache hatte man nur 296 Dosen Biontech, und das reichte nicht aus für die vielen Leute, die draußen bis zu zweieinhalb Stunden im Schneeregen ausharrten. Einige mussten unverrichteter Dinge weggeschickt werden. Glück hatte der Landtagsabgeordnete Clemens Rostock (Grüne), der sich dort seine Booster-Impfung abholen konnte.
Wie er haben bis Samstag 496 000 Brandenburger ihre Auffrischungsimpfung erhalten. Das sind 18,9 Prozent der Bevölkerung. 63 Prozent sind zweimal geimpft. Das ist deutschlandweit nach wie vor der zweitschlechteste Wert. Nur Sachsen steht mit 58,9 Prozent noch schlechter da. Bremen liegt mit 81,1 Prozent vorn. »Wir werden immer gerügt, dass wir auf einem hinteren Platz stehen«, sagt Ministerin Nonnemacher. Sie erklärt das mit strukturellen Problemen in den dünn besiedelten ostdeutschen Flächenländern. Nonnemacher fügt aber hinzu: Man müsse auch kritisch hinterfragen, woran es sonst noch liegen könnte. Allerdings lief es nach ihrer Einschätzung zuletzt ganz ordentlich. In den vergangenen sieben Tagen wurden im Bundesland 179 000 Impfungen verabreicht. 160 000 Impfungen pro Woche sind das auf dem brandenburgischen Impfgipfel im November vereinbarte Ziel. Zum Tiefpunkt im Spätsommer gab es nur 16 000 Impfungen pro Woche.
Bei den jetzt guten Zahlen ist für den Landtagsabgeordneten Ronny Kretschmer (Linke) unklar, ob dies das Verdienst der rot-schwarz-grünen Landesregierung ist oder nicht eher der Kommunen. »Die sind nämlich gerade Impfweltmeister zusammen mit den Hausärzten.« Die spannende Frage sei, so Kretschmer, ob das Land den Kommunen die Kosten ersetzt. »Einige Kommunen warten auf eine Vereinbarung mit dem Land, andere warten auf ihr Geld«, sagt der Abgeordnete.
Gegenwärtig werden in Brandenburg vier von fünf Impfungen zur Auffrischung verabreicht. Für Hennigsdorf sagt Bürgermeister Günther: »Erstimpfung, Zweitimpfung, Booster - die Erfahrung ist: kommt alles durcheinander.« Wo man sich ohne Termin impfen lassen kann, findet man im Internet.
brandenburg-impft.de
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