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Steilvorlage für Die Linke
Der Koalitionsvertrag bietet mit seinen sozialpolitischen Leerstellen Ansatzpunkte für die Linkspartei, meint Thomas Händel
Die Wählerschaft hat bei der Bundestagswahl Die Linke stark ramponiert. Sie verliert über zwei Millionen Stimmen, fast die Hälfte ihrer Wähler*innen, die Hälfte an die SPD und die Grünen. Der Wunsch nach der – vergangene Woche erfolgten – Beendigung der lähmenden Merkel-Ära war wohl übermächtig. Die Linke wurde dafür nicht gebraucht. Allerdings ist der Begriff Politikwechsel für die Veränderung übertrieben. Darstellerwechsel bei neuer Inszenierung des gleichen Stücks trifft es wohl besser.
Medienstarke Repräsentant*innen der Linkspartei hatten eine Erklärung schnell parat: Die Partei habe ihren Markenkern – Arbeit und soziale Gerechtigkeit – zu stark vernachlässigt. Aus der Papierlage und den Wahlkampfauftritten des Spitzenpersonals lässt sich das nicht ablesen. Übereifrig wurde das Thema gerade von denjenigen, die das nun lautstark reklamieren, auch nicht bemüht. Stattdessen wurden Steilpässe liegen gelassen: Katja Kipping hatte die Forderung nach einer 4-Tage-Woche starkgemacht. Ein Thema mit hohem R2G-Potential. Sie fand aber in der Partei dafür wenig Unterstützung. Die Linke im Europaparlament serviert auf dem silbernen Tablet eine Richtlinie, die die alte Forderung der Arbeiterbewegung »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort« realisierte. Im Bundestag wird diese Chance bei der nationalen Umsetzung einfach ignoriert. So klappt’s nicht mit den Arbeiter*innen bei der Wahl ...
Rund 370 000 frühere Wähler*innen der Linken haben sich entschieden, nicht zu wählen. Manche sehen darin als Ursache nicht nur den immer wieder befeuerten Dauerstreit in der Fraktion, sondern die Verwirrung, wer nun eigentlich die Partei repräsentiert. Wenn ein junges und neu gewähltes Führungsduo, kaum im Amt, mit einem mit großem medialen Tamtam orchestrierten »Gegenprogramm« konfrontiert wird, wirkt das wie die berühmte Blutgrätsche im Fußball – allerdings gegen die eigene Mannschaft. Interner Streit im Wahlkampf ist immer tödlich. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Fallstricke wie die Afghanistan-Abstimmung und die Nato-Frage taten das Übrige.
Zweifellos sind einige Punkte im nun geschlossenen Koalitionsvertrag zu begrüßen. Dennoch wäre eine Reihe von Fragen von einer Rot-Rot-Grün-Koalition anders beantwortet worden.
Was ist nun zu tun? Dass die verlorenen Wähler*innen schon irgendwann von selbst zurückkommen, mag ein tröstlicher Gedanke sein. Dafür muss aber etwas passieren. Es braucht eine bessere Verzahnung von sozialer Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit – angesichts der Folgen des Klimawandels für »die da unten« ein soziales Thema per se.
Die Linke kann sich in der Auseinandersetzung mit der Ampel reorganisieren – besonders bei den aktuellen Brennpunkten zu Arbeit und Sozialem. Ansatzpunkte in Koalitionsvertrag und Realpolitik gibt es genug:
Von einer besseren Bezahlung der Beschäftigten im Gesundheitswesen per allgemeinverbindlichem Tarifvertrag ist nicht die Rede, auch nicht von einem Ende des Fallpauschalensystems.
Ein Mindestlohn von 12 Euro soll kommen – und zwar schnell. 13 Euro wären besser. Entscheidend ist aber die wirksame Kontrolle! Die Zollbehörden kamen bereits bei rund vier Millionen Betroffenen nicht hinterher – künftig werden mehr als 8,7 Millionen Arbeitsverhältnisse zu überprüfen sein.
Der ewige Kampf um den Normalarbeitstag geht in die nächste Runde. Weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit ohne die überfällige Umsetzung des EuGH-Urteils zur kompletten Arbeitszeiterfassung ist bei Unsummen unbezahlter Überstunden und rasant wachsendem Homeoffice eine Fehlleistung.
Sachgrundlose Befristungen werden beibehalten und damit die Unsicherheit für viele fortgesetzt.
Das Versprechen, das Rentenalter nicht zu erhöhen und das Rentenniveau nicht abzusenken, wirkt angesichts der Zukunftsprobleme der Rentenfinanzierung nicht beruhigend. Die Betriebsrente soll nun über den Kapitalmarkt gestärkt werden. Ob das weiter als bis zum nächsten Börsencrash hält? Die Linke hat ein schlüssiges Rentenkonzept. Wir werden es bald brauchen.
Kurz: Sozialliberale Attitüden brauchen eine starke linke, sozialstaatliche Opposition.
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