• Berlin
  • Antisemitismus in Berlin

Bitte einen neuen Namen

Straßenumbenennungen können ein Zeichen für historisches Bewusstsein sein

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 2 Min.

Tatsächlich, muss ich beim Durchsehen des Dossiers zu Berliner Orten mit antisemitischen Bezügen feststellen, wohne auch ich in einer Straße, deren Namensgeber mir bisher als Vertreter antijüdischer Positionen vollkommen unverfänglich erschienen war.

Dabei ist es genau andersherum: Man sollte angesichts der Geschichte in jeder deutschen Stadt, zumal der Hauptstadt, eher davon ausgehen, dass hier nicht nur die großen Kriegstreiber und »Kolonialhelden« ihre - bis heute weitgehend unangetasteten - Denkmäler gesetzt bekommen haben. Auch vielen anderen Stichwortgebern und Personen, deren Wirken im Getriebe jahrzehntelang propagierter deutscher Herrschaftsansprüche etwas weniger offensiv gewesen sein und im Nachhinein dann auch etwas weniger Aufmerksamkeit erhalten haben mag, wurde diese Ehre zuteil. Das herauszufinden, es zu zeigen und dann noch eine historisch eingebettete Diskussion als Vorlage für Konsequenzen wie Straßenumbenennungen zu fordern, ist ein Zeichen für historisches Bewusstsein.

Es bleibt mindestens ein großes Missverständnis und zeugt eher von europäisch-zentrierter Renitenz, dass Umbenennungen häufig als Versuch diskreditiert werden, die Geschichte zu tilgen. Auch wird andersherum ein Schuh draus: Es geht nicht um die Geschichte als solche. Vielmehr werden dabei in guter alter Tradition und ganz im Gegenteil alte und neue Machtansprüche verteidigt und eine historisch-politische Debatte verweigert. Denn an deren Ende müsste in einem Land, das sich Fortschritt auf die Fahnen schreibt, stehen: Antisemiten, Kriegstreibern, Nationalisten, Kolonialherren wird hier nicht gehuldigt. Aber viele postkoloniale Aktivist*innen wissen, wie es tatsächlich aussieht.

Warum in dem Dossier ausgerechnet der Name von Otto von Bismarck nicht zur Umbenennung empfohlen wird, erschließt sich nicht. Bismarck steht für das todbringende Deutsche Reich, »Blut und Eisen«-Kriegspolitik und koloniale Ausbeutung. Er gehört längst vom Sockel geholt.

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