- Brandenburg
- Haushaltspolitik
Die Reserven werden aufgebraucht
Brandenburgs Koalition bekommt gerade so noch einen Haushalt 2022 hin
Die Haushaltsdebatte des Landtags für 2022 fand am Mittwoch unter den dunklen Wolken der Corona-Pandemie statt. Gleichwohl ist die finanzielle Lage nicht so dramatisch, wie sie noch vor Tagen schien. Nach einer Neuberechnung haben sowohl der Bund als auch die Länder bedeutend höhere Steuereinnahmen verbuchen können als zunächst zu erwarten war. Dennoch wurden von den Koalitionsfraktionen alle rund 200 von der Opposition eingebrachten Änderungsanträge abgelehnt. Am Freitag soll der Haushalt verabschiedet werden.
»Ein Ausweg aus der pandemischen Lage ist derzeit nicht zu erkennen«, warnte Finanzministerin Katrin Lange (SPD), nachdem Koalitions- und Oppositionsfraktionen ihr rhetorisches Pulver verschossen hatten. Lange sprach von einer möglichen vierten Corona-Impfung, von eventuellen Auffrischungsimpfungen alle drei Monate. Daher habe sie eine pauschale Risikovorsorge von 500 Millionen Euro einplanen müssen. Die Abwehr der Afrikanischen Schweinepest koste zusätzliche 32 Millionen Euro. Auch wenn im Haushalt für das kommende Jahr 800 Millionen Euro weniger Ausgaben geplant sind als für das laufende Jahr, sei der Haushalt 2022 mit einem Volumen von 14,3 Milliarden Euro noch immer der zweitgrößte Etat Brandenburgs seit dem Jahr 1990.
Die Verschuldung müsse im Jahr 2022 noch einmal um 176 Millionen Euro anwachsen. Das sei jedoch kein Vergleich mit den rund drei Milliarden Euro im laufenden Jahr. Das Bundesland befinde sich damit auf dem Weg zurück zur finanzpolitischen Normalität. Aber: »Es ist nichts übrig«, fuhr Ministerin Lange fort. Doch so angespannt die Lage auch sei: Die Dinge lägen anders als in den 1990er Jahren. Brandenburg sei auf gutem Wege und »daran ändert auch Corona nichts«, versicherte Lange.
Von einem »Haushalt der kontrollierten Offensive« sprach SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Immerhin nehme Brandenburg schon wieder 65 Prozent seiner Ausgaben bei sich selbst ein. Durch zusätzliche Überweisungen an die Kommunen in Höhe von 300 Millionen Euro sei auch dort die Lage deutlich entspannter. Dennoch müsse unter dem Druck von Corona einiges warten. Eigentlich sollte im Jahr 2022 das zweite Kitajahr vor der Einschulung beitragsfrei werden. Bislang müssen die Eltern lediglich für das letzte Jahr vor der Einschulung keine Kitagebühr entrichten. Das zweite beitragsfreie Jahr wurde nun aus finanziellen Gründen auf 2023 verschoben. Das »ist uns nicht leichtgefallen«, erklärte SPD-Fraktionschef Keller.
Linksfraktionschef Sebastian Walter hatte sich gegen die Verschiebung ausgesprochen. Aber dazu sagte Sozialdemokrat Keller, dass das »schöne Wetter von 2019« nicht mehr bestehe, in dem man mit kurzen Hosen in der Sonne sitzen konnte. Unter den Sozialministerinnen Diana Golze und Susanna Karawanskij (beide Linke) sei die Entlohnung der Pflegekräfte nach Tarif kein Thema gewesen, kreidete Keller den Sozialisten noch an.
Mit diesem Anliegen sei die Linksfraktion bei ihrem Koalitionspartner SPD bis 2019 auf taube Ohren gestoßen, konterte Sebastian Walter. Er warf Daniel Keller vor, selbst auf dem Sonnendeck zu sitzen, während andere im Maschinenraum ackern müssten. Wer vor der Pandemie schon wenig Geld hatte, der stehe jetzt mittellos da. Mit Blick auf die geplante Ausgabenstruktur für das kommende Jahr sagte Walter eine »Bruchlandung« voraus. Denn die Pläne seien mutlos und sozial ungerecht. Aber es sei die Halbzeit der Legislaturperiode und »das wird einer der letzten Haushalte sein, den Sie vorlegen«, sagte der Linksfraktionschef.
Er forderte ein Sozialticket, das sich auch arme Menschen leisten könnten, und er verlangte darüber hinaus einen vom Land Brandenburg finanzierten Vorschuss für die Schausteller. Diese leiden bekanntlich darunter, dass die Regierung zwei Tage nach der Eröffnung der ersten Weihnachtsmärkte solche Märkte wegen der Corona-Pandemie verboten hat. Andere Bundesländer seien da weiter, erklärte Walter.
Dass der Regierungsbund von SPD, CDU und Grünen bundespolitische Grenzen kennt, machte CDU-Fraktionschef Jan Redmann deutlich. Seine Partei ist in der neuen Bundesregierung nicht mehr vertreten. Dort bestimmen jetzt SPD, FDP und Grüne. Das Vorziehen des Kohleausstieges sei ein Wortbruch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und verunsichere viele Menschen in der Lausitz.
Doch sind auch aus Sicht von Redmann insgesamt die Aussichten nicht so trübe. Der Politiker stammt aus Pritzwalk in der gebeutelten Prignitz und sprach jetzt davon, dass er als Kind die Schwierigkeiten der Nachwendejahre, die Perspektivlosigkeit und Enttäuschungen hautnah erlebt habe. Inzwischen aber habe Brandenburg Aussichten, eine »Gewinnerregion« zu werden. Es sei ein Land, »in dem richtig was los ist«. Zuzüge relativierten das Problem des demografischen Wandels. Das habe auch etwas mit den Investitionsentscheidungen der Landesregierung zu tun, sagte Redmann. Der »etwas eingeschlafenen« Zusammenarbeit mit Berlin müsse neuer Schwung verliehen werden. Brandenburg stehe »auf Augenhöhe mit den manchmal vorlauten Berlinern«.
Péter Vida von den Freien Wählern kritisierte, dass die für den Haushalt relevanten Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst nicht im Entwurf eingearbeitet seien und er daher eigentlich so gar nicht verabschiedet werden könne. Der Landesrechnungshof habe bemängelt, dass optimistische Ausblicke in die Zukunft keineswegs gerechtfertigt seien. Aber dafür »haben sie nur ein müdes Lächeln übrig«, beklagte Vida. Die Regierung, die alle Anträge der Opposition vom Tisch gefegt habe, spiele sich als »allwissend«, als unfehlbar auf und spare konsequent an der falschen Stelle. Was die Koalition mittel- und langfristig plane, sei keineswegs werthaltig oder enkeltauglich, »allenfalls wahlkampftauglich«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.