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- Fußball und Nationalismus
Hinter der Wut-Maske
BallHaus Ost: Fußball darf kein politischer Spielball sein, sondern Freiheit und Freude
Meine Laune ist im Keller. Mein Sozialverhalten ist an einem Tiefpunkt angelangt. Winterpause. Mich dengelt der Schmerz der fußballlosen Zeit. Warum werde ich durch Spielpausen gefoltert? In vielen Ländern finden im Jahr zwei Spielzeiten statt, ich fordere das auch für die BRD. Ich zahle schließlich brav Steuern und den Rundfunkbeitrag. Ich parke nicht ständig falsch und schwenke niemals die Nationalflagge, das muss doch belohnt werden!
In seiner Kolumne "Ballhaus Ost" blickt Frank Willmann alle zwei Wochen auf die Geschehnisse im Ostfußball - das wilde Treiben in den Stadien zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Alle Texte finden sie unter dasnd.de/ballhaus
Was ich nicht brauche sind Nationalmannschaften. Sie belasten den europäischen Gedanken. Je mehr Nationalitäten, desto giftiger der Nationalismus. 1914 gab es ca. zwanzig in Europa, heute sind es über fünfzig.
Der Europapokal der Nationen wurde als Vorgänger der Europameisterschaft zur selben Zeit ins Leben gerufen, wie die Vorgängerin der EU, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Zwei nette Versuche, um das ständig kriegsführende Europa zu einem friedlichen Zusammenleben zu motivieren. Natürlich können Europa- und Weltmeisterschaften kein politisches Problem lösen – aber sie können ein Problem werden, wenn der Gastgeber beispielsweise Katar heißt.
Historisch betrachtet hat kein Netzwerk von Nationen lange gehalten. Gegenwärtig zieht in Europa Sturm auf. Die EU scheint sich über den eigenen Kopf zu wachsen. 27 Staaten (oder besser Dackelzüchtervereine) bemühen sich, ihre nationale Agenda durchzuziehen. Unsere kopflastige, entrückte und stinklangweilige europäische Bürokratie gibt dazu die neoliberalen Regeln vor. Großbritannien hat sich unfeierlich verabschiedet, jeder andere Mitgliedstaat beherbergt eine politische Partei, die diesem Beispiel am liebsten folgen wollen würde. Der unbedingte Vorrang der Nation übertrifft die erfreulichere Vorstellung eines kooperativen Gebens und Nehmens unter Gleichen. Etliche europäische Länder werden von autoritären, populistischen Mini-Trumps regiert. Ihre nationalistische Politik ist von Anti-Migration bestimmt. Das gibt jedem Fußballfan die Ermächtigung, sich hinter einer Maske wutentbrannter Empörung zu verstecken, momentan besonders deutlich in Osteuropa. Wenn man sich bei diversen nationalistischen Demos in Europa umsieht, erblickt man überall empörte Fußballfans, die über die Rolle von Partypatrioten hinausgewachsen sind.
Und das große Thema gender equality! Bleiben wir doch hier im Land: Welcher deutsche Fußballverein wird heute von einer Frau angeführt? Wie hoch sind die Prämien der deutschen Nationalspielerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen mit dem Adler auf der Brust? Wie viele Frauen haben beim DFB die Hosen an? Ist unser Fußball etwa eine der letzten Bastionen männlicher Selbstverwirklichung?
Die Fußballinstitutionen dürfen nicht nur in Dollarzeichen denken und mit geschlossenen Augen nationalistischen Extremismus und andere menschengemachte Bösartigkeiten hinnehmen. Ich spreche mich für die vorübergehende Einstellung nationaler Wettbewerbe (inklusive Olympische Spiele selbstverständlich) aus. Die Geschichte der großen Turniere ist auch eine Geschichte politischer Gräueltaten und Großmachtfantasien.
Wenn ein internationaler oder nationaler Verband sich unfähig erweist, auf virulente politische Probleme zu reagieren, muss er bekämpft oder reformiert werden.
Und die Fans? Als ich Mitte der 70er Jahre erstmals Spiele der DDR-Oberliga besuchte, fand sich vor und im Stadion kein einziger Polizist. Mitte der 80er erlebte ich es in Westberlin ähnlich. Damals benahm sich die Menge. Heute ziehen große Teile der Masse als Dackelzüchter mit Fähnchen, dicker Hose und Gesang in den Fußballkrieg.
Trotzdem ist nichts verloren. Unser Ziel: Fußball mit guter Laune und hervorragender Stimmung. Fußball ist Freiheit und Spaß, Fußball darf kein politischer Spielball sein.
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