Dänemark exportiert Häftlinge

Ausländische Gefangene mit Ausweisungsurteil sollen bald im Kosovo einsitzen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.

Ab Anfang 2023 will Dänemark jährlich 300 Gefängnisplätze in Kosovo mieten. Eine entsprechende Erklärung wurde am Montag durch den dänischen Justizminister Nick Hækkerup und seine kosovarische Amtskollegin Albulena Haxhiu unterschrieben. Das Abkommen muss noch durch Kosovos Parlament bestätigt werden. Der Deal hat eine Laufzeit von 10 Jahren und Dänemark wird dafür 210 Millionen Euro bezahlen.

Dänemarks Gefängnissystem ist überlastet. Obwohl die Kriminalität in den vergangenen Jahren allgemein gesunken ist, steigt die Anzahl der Urteile mit Haftstrafe, da die Sicherheitspolitik einen härteren Kurs eingeschlagen hat. Für Kapitalverbrechen, Gewaltdelikte, terroristische Akte, Kinderpornografie wurde das Strafmaß heraufgesetzt, ebenso für Drogenhandel und zuletzt Corona-Straftaten. Die Zellen in den dänischen Haftanstalten sind mittlerweile so überfüllt, dass Fitnessräume und Abstellkammern genutzt werden müssen, um die Verurteilten unterbringen zu können. Übergriffe auf Justizvollzugsbeamte sowohl innerhalb der Mauern wie außerhalb der Gefängnisse häufen sich. Viele Beamte haben angesichts der prekären Verhältnisse den Dienst quittiert. In letzter Zeit ist ihre Zahl um 23 Prozent gesunken.

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Wechselnde Regierungen in Kopenhagen suchen bereits seit Jahren nach Lösungen. Das Budget für den Bereich wurde halbherzig erhöht und Rekrutierungskampagnen wurden gestartet, aber durchgreifende Verbesserungen der Situation im Gefängnissystem blieben aus.

Zuletzt wurden im Staatshaushalt für das kommende Jahr 200 Millionen Euro mehr bewilligt. Justizvollzugsbeamte bekommen innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens jetzt erweiterte Entscheidungsmöglichkeiten zum Umgang mit gefährlichen oder widersetzlichen Häftlingen. Die Sanktionen gegen Häftlinge bei Gewalt gegen Beamte werden verschärft. Bereits Auszubildende erhalten den Grundlohn, um den Beruf attraktiver zu machen. Gleichzeitig sollen Verbrechensvorbeugung und Resozialisierung gestärkt werden, um den Rückfall in die Kriminalität zu verhindern. Geplant ist der Bau eines neuen Hochsicherheitsgefängnisses, die Kapazitäten dreier bestehender Haftanstalten sollen erweitert werden. Doch bis diese Maßnahmen umgesetzt sind, fehlen bis 2025 jährlich etwa 1000 Haftplätze.

Gemäß der nun getroffenen Vereinbarung mit dem Kosovo wird das dortige Gefängnis von Gjilan, 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Pristina, nach dänischem Standard modernisiert. Der Trakt für die exportierten Häftlinge wird unter dänischer Leitung stehen und unterliegt dänischer Gesetzgebung. Vorgesehen ist er ausschließlich für kinderlose Abschiebehäftlinge aus Drittländern.

Laut Abmachung dürfen unter den Gefangenen keine sein, die als »hohes Risiko« eingestuft oder wegen terroristischer Taten verurteilt worden sind. Justizminister Hækkerup betonte nach Unterzeichnung des Deals, dass Dänemark alle internationalen Verpflichtungen einhalten wird. Die Kooperation diene gleichzeitig der Rechtsstaatsentwicklung Kosovos, behauptete der sozialdemokratische Politiker. An die Abschiebehäftlinge wolle man ein Signal senden, dass »ihre Zukunft nicht in Dänemark liegt«. Kosovos Justizministerin Haxhiu war es wichtig zu unterstreichen, dass sich Kosovo mit diesem Schritt als vertrauenswürdiger Teil einer Wertegemeinschaft beweist. Mitunterzeichner der Vereinbarung war Dänemarks Entwicklungsminister Flemming Møller Mortensen. Das Land stellt Kosovo, das unter häufigen Stromabschaltungen leidet, nämlich auch noch 60 Millionen Euro für den Bau erneuerbarer Energiequellen zur Verfügung.

Justizminister Hækkerup ist ein politisches Meisterstück gelungen, indem er sowohl die Sozialistische Volkspartei als auch die Konservative Partei und die rechtspopulistische Dänische Volkspartei als Unterstützer des Projekts gewinnen konnte. Er spaltet damit geschickt den linken wie den bürgerlichen Block. Zwar beklagt die rot-grüne Einheitsliste, dass der Strafvollzug für Ausländerpolitik missbraucht wird. Die sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Mette Frederiksen kann sich dabei aber breiter parlamentarischer Unterstützung sicher sein.

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