Allein in der eigenen Schwimmer-Liga

Florian Wellbrock schmückt das deutsche Schwimmjahr. Viel mehr war nicht

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit Applaus ist Florian Wellbrock in den vergangenen Monaten öfter überschüttet worden - doch als für die internationale Schwimmerelite am Dienstag der Vorhang hinter dem Jahr der verspäteten Olympischen Sommerspiele fiel, hatte er immer noch nicht genug. Mit weit ausgebreiteten Armen animierte Wellbrock das Publikum in Abu Dhabi zu noch mehr Beifall - für seinen Weltrekord über 1500 Meter Freistil, bei dem er die alte Bestmarke des Italieners Gregorio Paltrinieri um mehr als eine Sekunde unterboten hatte.

Zum Händeschütteln mit dem Freiwasser-Olympiasieger vom Sommer schritten vor dem Erklingen der deutschen Nationalhymne der Tunesier Ahmed Hafnaoui (Silber) und Michailo Romantschuk aus der Ukraine. Der gestürzte Rekordmann Paltrinieri wurde mit am Ende mehr als 14 Sekunden Rückstand auf den Sieger nur Vierter. Und in seinen Ohren musste es wie Hohn klingen, als Wellbrock über seinen Triumph auf der 25-Meter-Bahn sagte: »Ich hatte keinen wirklichen Plan, ich wollte nur ein gutes Rennen schwimmen.«

Es wurde das schnellste, das ein Schwimmer in diesem Wettkampf mit insgesamt 59 Wenden je in ein Becken gezaubert hat. Ganz nebenbei feierte Wellbrock am Persischen Golf seine persönliche Medaillenpremiere bei einer Kurzbahn-WM: Sein eigentliches Revier ist das freie Gewässer, in dem der gebürtige Bremer Anfang August olympisches Gold gewonnen hatte. Nun deklassierte Wellbrock die Konkurrenz auf der kurzen Bahn - obwohl er findet, dass die vielen Wenden seinen Rhythmus stören.

Bevor er in Abu Dhabi ins Becken sprang, war Deutschlands Vorzeigeschwimmer in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate auch schon im Weltcupfinale der Freiwasserschwimmer erfolgreich gewesen. Und zwischendurch kommentierte er das ungewohnte Dezember-Ambiente mit Außentemperaturen um 25 Grad recht lässig: »Die Umgebung ist für mich zweitrangig. Wir hätten das hier auch irgendwo in Schweden oder Norwegen machen können.«

Für seinen Weltrekord bekommt Wellbrock vom Schwimmweltverband eine Prämie von 50 000 US-Dollar überwiesen. Einen Teil des Geldes will er womöglich in eine schicke neue Uhr investieren - während die erhoffte neue Zeitrechnung in seinem nationalen Verband im Jahr 2021 noch nicht wirklich begonnen hat.

Zwar bescherten Wellbrock und seine Lebensgefährtin Sarah Köhler mit ihren Bronzemedaillen über 1500 Meter Freistil dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) beim Saisonhöhepunkt in Tokio das erste olympische Edelmetall im Becken seit 2008. Auf der anderen Seite der Medaille aber standen: Acht Finalteilnahmen deutscher Schwimmer - so viele wie 2012 in London, eine mehr als vier Jahre später in Rio. Und das bei drei zusätzlichen Rennen im Programm. Ein Aufschwung war jedenfalls neben der Magdeburger Trainingsgruppe um Wellbrock und Köhler noch schwer erkennbar.

Dennoch sprach Bundestrainer Bernd Berkhahn - mit einiger Berechtigung - von »sehr positiven Ansätzen«. Schwimmerisches Potenzial, das auf weitere Fortschritte bis zu den Spielen 2024 in Paris hoffen lässt, ist vorhanden. Dass es in den zurückliegenden Monaten nicht auf breiter Basis ausgeschöpft wurde, hatte dabei auch mit verbandsinternen Querelen zu tun.

Die positive Entwicklung der vergangenen zwei Jahre trübten unter anderem die Missbrauchsvorwürfe gegen den zunächst beurlaubten, dann zurückgetretenen Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz und die Freistellung von Leistungssportdirektor Thomas Kurschilgen im Februar. »Das waren definitiv Wermutstropfen - die auf jeden Fall nicht zu einer ruhigen Olympiavorbereitung beigetragen haben«, sagte Athletensprecherin Sarah Köhler dazu im Gespräch mit »nd«.

Bei der Einsetzung von Wasserspringer-Bundestrainer Lutz Buschkow als kommissarischem Leistungssportdirektor im April fühlten sich die Schwimmer laut einem Statement von Köhler übergangen. Ab Januar 2022 ist die Stelle des Sportdirektors im DSV dann wieder fest besetzt - mit dem gebürtigen Erfurter Christian Hansmann, der zuletzt als Technischer Direktor für den Nationalverband Luxemburg tätig war.

Florian Wellbrock freut sich nun erst einmal auf ein paar gemütliche Weihnachtstage bei seinen Eltern, ehe er die Höhepunkte des nächsten Jahres, die Weltmeisterschaften im Mai in Fukuoka und die EM im August in Rom, ins Visier nimmt. Bei der gerade zu Ende gegangenen Kurzbahn-WM kraulte der Schwimmer vom SC Magdeburg aus DSV-Sicht mehr oder weniger allein auf weiter Flur - außer ihm schaffte es nur Rückenschwimmer Christian Diener (Silber über 50, Bronze über 200 Meter) aufs Siegertreppchen. Entsprechend galt in Abu Dhabi, was der frühere Freistilstar Paul Biedermann bereits nach den Spielen in Tokio über Wellbrock gesagt hatte: »Eine Medaille im Becken und im Freiwasser zu gewinnen - das ist eine ganz eigene Liga.« Für den deutschen Schwimmsport trifft das definitiv zu.

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