- Berlin
- Gesundheitspolitik
Vivantes will »Superkrankenhaus«
Initiative zum Erhalt des Wenckebach-Krankenhauses kritisiert Umzug nach Schöneberg
Große Backsteinbauten und viel Grün dazwischen: Das schöne Wenckebach-Krankenhaus, das 1878 als königliches Militärhospital in Tempelhof erbaut wurde, soll Abteilung für Abteilung nach Schöneberg ins Auguste-Viktoria-Klinikum umziehen. So will es das landeseigene Krankenhausunternehmen Vivantes, welches das Klinikum betreibt. Die Initiative »Wenckebach-Klinikum muss bleiben!« wehrt sich dagegen und erklärte vergangene Woche während einer Veranstaltung des Bündnisses Klinikrettung, warum sie für den Erhalt des Krankenhauses am Standort kämpft.
»Das Krankenhaus ist Teil der Daseinsvorsorge und muss in Tempelhof bleiben«, sagt Charlotte Rutz-Sperling, Ergotherapeutin und Verdi-Vertrauensfrau im Wenckebach-Klinikum. Überhaupt sei es in der Pandemie nicht angebracht, ein einziges Klinikum zu schließen, während ein Notstand bundesweit und auch im »Ballungsgebiet der Großstadt« herrsche, so die Ergotherapeutin. Sie befürchtet, dass nicht alle der 443 Betten des Wenckebach-Krankenhauses in Schöneberg erhalten bleiben werden. Deutschlandweit sind in diesem Jahr neun Kliniken komplett und 22 teilweise geschlossen worden, so das Bündnis Klinikrettung. 814 Betten seien so 2021 verloren gegangen.
Ein Hauptproblem überlasteter Stationen sind fehlende Pflegekräfte. Und diese verprelle Vivantes mit den Umzugsplänen, so Verdi-Vertrauensfrau Rutz-Sperling. »Die Kolleg*innen fühlen sich bei Stationszusammenlegungen überrumpelt, da sie nicht einbezogen wurden«, sagt sie zu »nd«. Man höre aus dem Kollegium, dass viele Fachkräfte das Krankenhaus verließen und Bewerber*innen sich zurückzögen, so Rutz-Sperling.
Bisher ist zunächst die Gastroenterologie nach Schöneberg umgezogen. Dort wird für die Zusammenlegung der beiden Krankenhäuser am Grazer Damm neu gebaut - je nach Fortschritt der Bauabschnitte soll Abteilung für Abteilung aus Tempelhof dort einziehen. Laut dem ursprünglich von Vivantes veröffentlichten Zeitplan sollten noch in diesem Jahr Rettungsstelle, Chirurgie und Intensivstation umziehen; das ist allerdings noch nicht passiert. Bis 2028 soll alles fertig sein, nur die Geriatrie soll in Tempelhof bleiben.
Für Vivantes geht es um die Modernisierung des Wenckebach-Krankenhauses in neuen Räumen, da jene des ehemaligen Militärkrankenhauses sanierungsbedürftig, denkmalgeschützt und nicht mehr zeitgemäß seien. 154 Millionen Euro müssten in eine Sanierung investiert werden, und dann habe man »noch kein modernes Krankenhaus geschaffen«, so Vivantes. Die Integration in den Neubau am Grazer Damm koste 242 Millionen Euro; für insgesamt 600 Millionen Euro entstehe ein »Superkrankenhaus« mit dem Auguste-Viktoria-Klinikum. Auf dem Gelände in Tempelhof könnten zukünftig ambulante Versorgungszentren, Trainingsmöglichkeiten für Berufsgruppen oder Start-ups entstehen, ein »Adlershof der Medizin«, so Vivantes.
Davon hält die Initiative zum Erhalt des Wenckebach-Krankenhauses nicht viel: »Geplant sind ambulante Strukturen in privater Hand, ein Filetgrundstück für Spekulanten«, sagt Rutz-Sperling zu »nd«. Stattdessen hätten alle Investitionskosten für die Sanierung des Tempelhofer Klinikums längst vom Land bezahlt werden müssen. »Das Land Berlin hat unser Krankenhaus kaputtgespart. Nun muss die Landesregierung eingreifen, um es zu erhalten«, fordert sie. Die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg habe schon im April einen Stopp des Umzugs beschlossen, sagt Rutz-Sperling.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.