Rechtsextreme rüsten sich zum Krieg

Die vielen Waffenfunde bei der extremen Rechten lassen sich durch deren Kriegsideologie erklären, meint Natascha Strobl

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 4 Min.

Die vergangenen zwei Jahre waren in vielerlei Hinsicht überwältigend: Pandemie, enorme Anstrengungen der Wissenschaft, dazwischen die galoppierende Klimakrise und die immer evidenteren globalen Ungerechtigkeiten. Hinzu kommt eine erstarkende rechtsextreme Szene, die auf der Straße Allianzen sucht und findet. Darüber, was rechtsextreme Organisierung in den beginnenden 20er Jahren bedeutet, wird man sich an anderer Stelle noch einmal unterhalten müssen. Klar ist aber, dass der harte, mitunter neonazistische Kern, Morgenluft wittert. Und das bedeutet, sich für einen Krieg zu rüsten.

Für Österreich dokumentierte die Seite »Stoppt die Rechten« zahlreiche Waffenfunde in der rechtsextremen Szene: 22 in nur 24 Monaten. Diese reichen von Dolchen und Schwertern über Schusswaffen und Munition bis hin zu Sprengstoff. Manchmal wurden sogar konkrete Anschlagspläne vereitelt. Die schiere Menge und Regelmäßigkeit sollte eigentlich alle Alarmglocken läuten lassen. In Österreich gibt es eine enorme Anzahl von Waffenverstecken in der Neonazi-Szene. Wie hoch die Dunkelziffer ist, kann man nur vermuten. Wie hoch die Anzahl der einzelnen oder kleineren Mengen an Waffen ist, ebenso.

Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Führende Kader der Szene rufen schon länger (indirekt) dazu auf, sich zu bewaffnen. So hat Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung Österreich, im Zuge der großen Fluchtbewegungen 2016 getwittert: »Gottseidank hab ich ne Waffe gekauft, bevor der Asylwahn begonnen hat. Dürfte schwer sein, jetzt noch was Gutes zu bekommen.« 2017 benutzte er eine Schreckschusspistole gegen Antifaschist*innen. Das mündete dann in einem Waffenverbot, wobei er nicht der einzige Identitäre ist, dem dies auferlegt wurde.

Rechtsextremismus ist eine Kriegsideologie

Es wäre aber falsch, die Gründe für die Aufrüstung zu externalisieren. Weder die Fluchtbewegungen noch die Pandemie sind der Grund für die Aufrüstung, sie sind höchstens der Anlass. Rechtsextremismus ist eine Kriegsideologie. Das bedeutet, dass das Denken durchsetzt ist von klarer Feindbestimmung (im Sinne Carl Schmitts) und der Feind besiegt werden muss. Das passiert nicht mittels demokratischer Aushandlung, Kompromiss oder Konsens, sondern in einer kriegerischen Handlung. Jedes Mal, wenn sich der Feind politisch durchsetzt, wird das als kriegerische Niederlage empfunden und genau so aufgeblasen. Das fängt bei vegetarischem Essen in der Kantine an, geht über die Sichtbarkeit von Transpersonen bis hin zu einer menschenwürdigen Asylpolitik oder eben Pandemiebekämpfung.

Kulturkampf ist Krieg im Denken der extremen Rechten. Komplexe gesellschaftliche Prozesse werden so weit vereinfacht, dass nur noch ein »wir« und »die« übrig bleiben. Jedes Mal, wenn »die« etwas für sich erreichen, ist es eine Niederlage für »wir«. Dementsprechend müssen »die« geschlagen und besiegt werden. Das bezieht sich auf die gesellschaftspolitische Ebene des Kulturkampfs, transferiert sich aber schnell auf die konkrete physische Ebene: Wenn verbal und diskursiv zum Krieg ausgerufen wird, dann wird sich auch ganz konkret darauf vorbereitet.

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Das hat sich im Zuge der großen Fluchtbewegungen gezeigt, als geflüchtete Menschen zu »Invasoren« geframed wurden und »Europa verteidigt« werden musste. Das zeigt sich aber auch im Erstarken der Corona-Leugner-Szene, wo eine »Diktatur« herbeifantasiert wird, man sich gar mit den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus gleichsetzt und die Impfung als »biologische Kriegsführung« sieht. Wer sich selbst im Krieg sieht, der gibt sich auch einen anderen Handlungsspielraum, als wenn man bloße*r Zivilist*in ist. Das ist einerseits Teil der eigenen pathosgeladenen Selbstheroisierung. Andererseits erlaubt es, sich in Notwehr zu wehren, weil man ja angegriffen wird.

So ist es auch nicht weit vom »Großen Austausch« zum »great reset«. Der Anlass ist beliebig und wird konstruiert und verbunden. Je nachdem, welches Thema gerade populär ist, hat man die passende Verschwörungserzählung schon parat. Wichtig dabei ist, dass man oder das »Volk«, das vermeintlich durch einen selbst repräsentiert ist, ständig von dunklen (und globalen) Mächten bedroht ist. Der Kern des eliminatorischen Antisemitismus war immer schon die Idee der Vernichtung als Notwehr. Wir oder die. Dementsprechend ist die Aufrüstung der Worte und die Aufrüstung der Waffen eine Überlebensstrategie in diesem Denken. Man handelt ja aus Notwehr. Und in der Notwehr ist alles erlaubt.

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