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Fern der Heimat fliegt man weiter

Markus Eisenbichler ist nach Platz zwei zu Neujahr der neue Hoffnungsträger der deutschen Skispringer

  • Lars Becker, Garmisch-Partenkirchen
  • Lesedauer: 4 Min.

Aufblasbare Strümpfe, Sondertraining an der Problemschanze: Deutschlands Skispringer lassen für den ersten Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee seit 20 Jahren wirklich nichts unversucht. Die Chancen sind jedoch bei Halbzeit trotz eines grandiosen zweiten Platzes von Markus Eisenbichler beim Neujahrsspringen auf ein Minimum gesunken. 21,1 Punkte - umgerechnet knapp zwölf Meter - liegt der neue deutsche Hoffnungsträger hinter Japans Überflieger Ryoyu Kobayashi. Und am Dienstag steht Innsbruck als dritte Station auf dem Tourneeplan, der Schicksalsberg der Deutschen.

»Wir werfen jetzt nicht die Flinte ins Korn und sagen: Alles ist Scheiße. Kobayashi ist extrem stark, aber wir müssen dranbleiben und alles geben, dass wir am Ende doch noch ganz oben stehen«, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. Und er fügte hinzu: »In der Geschichte der Tournee sind schon viele skurrile Dinge passiert.« Am legendären und unberechenbaren Innsbrucker Bergisel leider meist zu Ungunsten der deutschen Flieger. Der letzte deutsche Tagessieger Richard Freitag (2015) und Severin Freund büßten hier nach Stürzen in den vergangenen Jahren alle Chancen auf den Gesamtsieg ein. Und auch die Tourneebilanz von Eisenbichler (6. im Vorjahr) und Karl Geiger (8. von 2020) in Innsbruck macht keine große Hoffnung auf ein Wunder.

Wegen der schwierigen Vorgeschichte hat das deutsche Skisprungteam im Sommer mehrmals am Bergisel trainiert. »Wir haben sogar unsere Wissenschaftler mitgenommen, Kameras aufgestellt und uns neu auf die Schanze eingestellt«, berichtete Horngacher. Man werde mit einem klaren Plan an die Aufgabe herangehen und auf Angriff setzen. Was selbst für die hier meist leidgeplagten deutsche Springer möglich ist, hat Eisenbichler bei der Weltmeisterschaft 2019 mit Doppelgold im Einzel und im Team bewiesen.

»Innsbruck ist knifflig, aber bei gutem Wetter eine wunderschöne Schanze. Ich komme immer besser in Form und was der Kobayashi macht, ist mir egal. Ich habe bei meinem zweiten Sprung in Garmisch-Partenkirchen gezeigt, dass ich locker mit ihm mithalten kann«, sagte Eisenbichler. Tatsächlich segelte er am Neujahrstag bei seinem Traumsprung auf die Tagesbestweite von 143,5 Metern acht Meter weiter als der mit leicht verkürztem Anlauf geflogene Japaner. Trotzdem verpasste der zweitplatzierte Eisenbichler wegen seiner unsauberen Landung den ersten deutschen Tagessieg am Neujahrstag seit 20 Jahren um 0,2 Punkte (elf Zentimeter) gegen den Japaner.

Der zuvor auch in Oberstdorf siegreiche Kobayashi scheint auf dem besten Weg, als erster Skispringer zum zweiten Mal den Grand Slam, also alle vier Springen bei einer Tournee zu gewinnen. Er selbst sieht sich noch stärker als im Winter 2018/2019, wo er sich mit Siegen mit jenem seltenen Erfolg seinen ersten Gesamtsieg geholt hatte: »Ich war damals in sehr guter Form. Aber jetzt weiß ich noch viel besser, was ich zu tun habe«, meinte Kobayashi. Sein Rezept für den Ruhetag am Sonntag klang dabei erst einmal recht simpel: »Schlafen.«

Markus Eisenbichler dagegen versuchte nach dem Podestplatz am Neujahrstag, mit einem besonderen Trick seine müden Beine wieder fit zu bekommen: »Ich habe aufblasbare Strümpfe. Da wird Luft reingepresst und damit bekommt man frischere Beine.« Außerdem baute er seinen Kumpel Karl Geiger auf, der mit Platz sieben in Garmisch-Partenkirchen das Gelbe Trikot des Gesamtweltcupführenden und alle Chancen auf den Tourneesieg eingebüßt hatte. Wütend hatte der als Topfavorit angetretene Deutsche danach seine Handschuhe in den Schnee gepfeffert. »Meine Grundstimmung ist stinksauer. Ich kann es besser. Es ist zum Kotzen, dass das wieder bei der Tournee passiert«, fluchte Geiger. Der Weltmeister hatte erneut extrem ungünstige Windbedingungen, zeigte aber auch keine Traumflüge. Nach Platz fünf beim Auftakt in Oberstdorf hatte er noch in Schlagdistanz zu Kobayashi gelegen, die 32,3 Punkte Rückstand jetzt scheinen uneinholbar.

Können die titelverwöhnten deutschen Skispringer die Tournee einfach nicht? »Ein-Tages-Events sind ein bisschen leichter als die Tournee. Es passieren in zehn Tagen hier immer wieder Dinge, die für uns nicht so leicht zu meistern sind«, erklärte Trainer Horngacher und nannte einen wichtigen Grund für die deutschen Tournee-Probleme: »Kobayashi ist ganz weit weg von zu Hause. Da tut man sich bei vielen Dingen leichter. Trotzdem geben wir nicht auf.«

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