Werbung

Kandidat verliert Wahlkampfteam

Yoon Suk-yeol als Favorit für das Präsidentenamt. Nun muss er seine Kampagne aussetzen

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 5 Min.

Wer diese Tage das Gesicht von Yoon Suk-yeol sieht, fühlt sich schnell an Armin Laschet erinnert. In den Wahlkampf von Südkorea ist der konservative Politiker mit guten Chancen gestartet, führte in den Umfragen, ohne viel Inhaltliches sagen zu müssen. Ähnlich wie Laschet, der im deutschen Wahlkampf im vergangenen Herbst anfangs noch von der Popularität der abtretenden Kanzlerin Angela Merkel zu profitieren schien, hatte auch Yoon einen strategischen Vorteil: Er tritt in Opposition zum enttäuschenden Präsidenten Moon Jae-in auf.

So schien für Yoon Suk-yeol im Vorfeld der Wahl am 9. März alles nach Plan zu laufen. Schließlich hat der nach seiner fünfjährigen Amtszeit scheidende Präsident Moon Jae-in kaum eines seiner Versprechen erfüllt. Als Moon 2017 mit der liberalen Demokratischen Partei die Wahl gewonnen hatte, wollte er den prekären Arbeitsmarkt reformieren, die Macht der Konzerne wie Samsung und Hyundai einschränken und einen Friedensvertrag mit Nordkorea erreichten. Nichts davon ist so recht gelungen.

Das konservative Lager um die Volkspartei sah sich daher nach fünf Jahren Opposition wieder an der Reihe. Und sofern die Wahlkampagne um den einstigen Staatsanwalt Yoon Suk-yeol keine großen Fehler begehen würde, sollte dies auch gelingen. Der Gegner Lee Jae-myung von der regierenden Demokratischen Partei genießt weder innerparteilich noch gesamtgesellschaftlich großen Rückhalt. Im Dezember führte der konservative Yoon die Umfragen an. 45 Prozent der Wahlberechtigten wollten laut den Demoskopen von Realmeter für ihn stimmen.

Doch dann mehrten sich Momente, die an den verkorksten Wahlkampf von Armin Laschet in Deutschland erinnern. Zwar ist Yoon nicht am Rande einer Flutkatastrophe grinsend dagestanden. Dafür ist sein gesamtes Team implodiert. Mitglieder der Wahlkampftruppe intrigierten gegeneinander, fühlten sich personell und inhaltlich ignoriert. Am Montag erklärte der Kim Chong-in, der Leiter der Wahlkampagne, gegenüber Medienvertretern: »Wir müssen eine Umstrukturierung vornehmen, die die Rücktritte der Verantwortlichen beinhaltet.«

Dazu wurde sogar die gesamte Kampagne ausgesetzt. Denn der geschlossene Rücktritt seiner Wahlkampfmanager ist nicht das einzige Problem, mit dem der einstige Favorit für das Präsidentenamt zu kämpfen hat. Mitte Dezember kam heraus, dass Kim Keon-hee, Yoons Ehefrau Teile ihres Lebenslaufs gefälscht hatte. »Ich habe ständig Angst, dass ich ein Schandfleck werde, der die Wünsche meines Mannes für Südkorea stört«, sagte Kim kurz vor dem Jahreswechsel mit trauriger Miene. Sie habe sich besser darstellen wollen, als sie war, um mithalten zu können.

Zuvor hatte eine weitere Frau für Probleme für Yoon gesorgt, allerdings aus anderen Gründen. Shin Ji-ye, eine 31-jährige, feministisch orientierte Politikerin, hatte Yoons Wahlkampf in der Hoffnung unterstützt, für mehr Geschlechtergleichheit zu sorgen. Die Volkspartei wiederum hatte gehofft, durch Shins Unterstützung auch junge Wählerinnen anzusprechen. Allerdings zog sich die prominente Nachwuchspolitikerin aus Yoons Team zurück, nachdem sie in der konservativen Partei doch nicht die Sensibilität für Genderthemen vorfand, die sie erwartet hatte.

Zwei Monate vor der Wahl muss sich Yoon Suk-yeol, der einstige Favorit fürs Präsidentenamt, nun ein neues Team suchen. So erklärte er schon voller Reue: »Ich habe es versäumt, die Gedanken der 20- und 30-Jährigen zu lesen.« Oder: »Von jetzt an werde ich anerkennen, was die ältere Generation nicht weiß, und von einer Perspektive neu anfangen, die mit Sympathie auf die junge Generation blickt.« Und: »Die Sorgen, die viele Menschen über diese Wahl haben, sind ausschließlich mein Fehler. Dafür bitte ich um Entschuldigung.«

Mittlerweile hat Yoon die Führung in den Umfragen verloren. Das Institut Realmeter kommt derzeit auf eineinhalb Prozentpunkte Vorsprung für Lee Jae-myung von der Demokratischen Partei, Daten von Research & Research sehen Lee sogar um fast zehn Prozentpunkte vorn. Wobei auch schon mehr als die Hälfte der Wahlbevölkerung angegeben hat, für keinen der beiden Kandidaten besondere Sympathien zu hegen. Kim Hyung-A, Professorin für koreanische Politik an der Australian National University, bezeichnete die Angelegenheit zuletzt als »Wahl für das geringere zweier Übel«.

Der ganze Wahlkampf gilt als bisheriger Tiefpunkt der politischen Kultur im ostasiatischen Land. Gegenseitig haben sich Lee Jae-myung und Yoon Suk-yeol schon Korruption und Veruntreuung vorgeworfen, haben sich angedroht, der je Andere würde bald ins Gefängnis wandern. Auf die Einigung hin, alle Vorwürfe neutral untersuchen zu lassen, sind bisher keine Taten gefolgt. Die Negativkampagnen sollen wohl auch darüber hinwegtäuschen, dass beide Kandidaten ein inhaltlich eher dünnes Programm haben.

Lee will grob an die noch unerfüllten Versprechen seines Parteikollegen Moon anknüpfen, Yoon tritt gegenüber Nordkorea mit weniger Verständnis auf und setzt noch mehr auf den Markt als Lee. »Die Menschen in Südkorea, vor allem die jungen, wollen einen Anführer, der die soziale Durchlässigkeit verbessert und ihre finanziellen Schwierigkeiten beendet«, schrieb die Politologin Kim Hyung-A vor Kurzem in einem Zeitungskommentar. »Sie wollen auch einen Anführer, der die Korruption bekämpft und Südkorea gerechter macht.« Allerdings fehle es beiden Kandidaten hierfür sowohl an Konzepten als auch am Image.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.