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Löschempfehlung für die Luca-App

Kaum genutzt und jetzt missbraucht: Kontaktnachverfolgung wird Länder im Februar beschäftigen

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.
In Mainz gab es im Dezember 2021 eine rechtswidrige Nutzung von Daten der Luca-App durch die Polizei. Die Daten von 21 Menschen, die ein Lokal in der Innenstadt besucht hatten, wurden genutzt, um in einem Todesfall zu ermitteln und Zeugen zu suchen. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Mainz räumte gegenüber dem SWR ein, der über den Fall zuerst berichtet hatte, man habe »versehentlich die aktuelle Rechtslage fehlerhaft bewertet«.

Es ist nicht der erste Fall, in dem Ermittlungsbehörden in der Corona-Pandemie auf gesammelte Kontaktdaten zugreifen. Die Redaktion von Netzpolitik.org hat in den vergangenen Jahren aus mehreren Bundesländern problematische Zugriffe auf die in Kneipen und Restaurants gesammelten Daten hingewiesen. Im Sommer 2020 bezogen sich diese Datennutzungen auf die schriftlichen Kontaktlisten, die vier Wochen vorgehalten werden. So wurden in Bayern bei Drogen- und Eigentumsdelikten Daten beigezogen. In Hamburg war eine versuchte Körperverletzung der Anlass für die Datennutzung.

Im Fall der Luca-App erfolgte der Zugriff der Ermittler nun über das Gesundheitsamt und die Betreiber der Bar. Die Entwickler der App sehen kein Problem. »Wir kriegen fast täglich Anfragen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Aber das Gute ist: Mit dem Luca System laufen die meisten davon ins Leere«, so Patrick Hennig, Geschäftsführer der Firma Nexenio, die die Luca-App entwickelte, in einem Interview mit dem Sender n-tv. Werbegesicht Smudo empörte sich in einem Boulevardblatt, über die Kritik an der Luca-App und diskreditierte zwei Politiker als belanglos, die dazu aufgerufen hatten, die Luca-App zu löschen. Sie seien dem Rapper bislang nicht bekannt gewesen und er halte einen deutschlandweiten Aufruf für »schlichtweg verantwortungslos«.

Der rheinland-pfälzische Landesbeauftragte für den Datenschutz will der unrechtmäßigen Nutzung der Luca-App zur Eindämmung der Corona-Pandemie bei polizeilichen Ermittlungen in Mainz nachgehen. Er habe ein aufsichtsrechtliches Verfahren eingeleitet, mit dem geklärt werden soll, wie es »zu der datenschutzrechtlich unzulässigen Abfrage und Nutzung« der Kontaktdaten gekommen sei, teilte Dieter Kugelmann am Dienstag mit. Der oberste Datenschützer des Bundeslandes sprach von einem »besorgniserregenden« Vorfall: »Das Vorgehen erschüttert das Vertrauen der Bürger in die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns und ist gerade in Zeiten einer die Gesellschaft als Ganzes herausfordernden Pandemie das völlig falsche Signal.« Kugelmann kündigte an, nach Aufklärung des Sachverhaltes »die Ausübung sämtlicher ihm datenschutzrechtlich zur Verfügung stehender Befugnisse zu prüfen«. Aus dem rheinland-pfälzischen Justizministerium sei eine Prüfung bei der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz in Auftrag gegeben worden, berichtete die dpa.

Ann Cathrin Riedel vom Verein Load, der sich mit netzpolitischen Themen befasst, kritisierte die Behördenpraxis: »Es ist wirklich erschütternd, wenn die Luca-Betreiber trotz gesetzlichem Verbot scheinbar so viele Anfragen zur Herausgabe von Daten bekommen. Dieser Vorfall muss endlich allen verdeutlichen, wie Daten Begehrlichkeiten wecken und dass massenhafte Sammlungen vermieden werden müssen.«

Warum Datenschutz- und IT-Experten die Luca-App kritisch bewerten, lesen Sie auch im Interview mit Manuel Atug »Luca ist bei der Kontaktverfolgung wirkungslos«

Für die Anbieter der Luca-App entwickelt sich die Kritik zu einem ernsthaften Problem. Mehrere Bundesländer müssen sich bis Ende Februar über die Fortsetzung der Verträge klar werden, wenn sich die Millioneninvestition in die Luca-App nicht vertragsgemäß um ein weiteres Jahr verlängern soll. Sachsen-Anhalt hält sich die Entscheidung über den rund eine Million Euro teuren Vertrag noch offen. Die Landtagsfraktion der Grünen forderte die Landesregierung am Montag auf, den Vertrag zu beenden. »Bedenken zum Datenschutz und Nutzen gab es von Anfang an. Diese haben sich leider bestätigt. Mit der aktuellen Corona-Warn-App ist die Luca-App überflüssig«, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Sebastian Striegel.

Im Saarland hieß es, die Gesundheitsämter, der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga und der PopRat seien als Interessenverband der Kultur- und Eventbranche um eine Stellungnahme zum Nutzen der App gebeten worden. Die Antworten stünden aus. Während die Kontaktnachverfolgung über die Luca-App die Gesundheitsämter oft zusätzlich belastet, teils nur Einsätze im ein- bis zweistelligen Bereich verzeichnete, warnten vergangene Woche rund 13 500 Nutzer*innen über die Corona-Warn-App. Sie gilt als schnelle, anonyme und derzeit datenschutzkonforme Möglichkeit, Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen und setzt auf eigenverantwortliches Handeln.

Mehr zum Thema Luca-App auch im Artikel »Netzaktivistinnen kritisieren ineffektives Millioneninvestment«

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