»Dreifache Verbesserung« geplant

Das Klima- und Wirtschaftsministerium will 2022 zwei große Gesetzespakete für die Energiewende vorlegen

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer derzeit unter hohen Strom- und Gaspreisen ächzt, dem machte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag wenig Hoffnung auf kurzfristige Besserung. Was die stark gestiegenen Strompreise angeht, verwies Habeck auf die von der Koalition vereinbarte Abschaffung der EEG-Umlage ab 2023. Dadurch sparten die Haushalte rund 300 Euro im Jahr, wiederholte der Minister eine bekannte Zahl. Ansonsten verwies Habeck bei der Preisexplosion auf sozialpolitische Maßnahmen der Ampel-Koalition, die den Kostenhochlauf kompensieren würden, wie den erhöhten Mindestlohn. Auch sollen Vermieter einen Teil der Einnahmen aus dem nationalen CO2-Preis erhalten, um bei den steigenden Kosten bei der Wärmeversorgung für Entlastung zu sorgen.

Habeck sprach sich erstmals dafür aus, die Regeln des, wie er sagte, »sehr deregulierten« Energiemarktes zu überprüfen. Dass die Verbraucher derzeit hohe Kosten für Strom und Gas zu tragen haben, liege auch daran, dass das bisherige Discountangebot nicht mehr funktioniere – die Haushalte fielen einfach aus den Verträgen und hätten dann die höheren Kosten zu tragen. Die Frage sei, so Habeck, ob das weiter so bleibe oder ob »eine zweite oder dritte Sicherungslinie« einzubauen sei. Hier sehe er Reformbedarf. Das werde aber frühestens für den nächsten Winter greifen. Beim Stand der Energiewende zeichnete der Wirtschafts- und Klimaminister ein Bild, das dem der jahrelangen Kritik an der Vorgängerregierung ähnelt.

So werden die energiebedingten CO2-Emissionen 2021 gegenüber 2020 um rund vier Prozent oder 25 Millionen Tonnen ansteigen, überwiegend wegen der höheren Kohleverstromung und in geringerem Maße wegen der kühleren Witterung. Dazu kommen weitere fünf Millionen Tonnen CO2 aus der Industrie wegen der wirtschaftlichen Erholung. Bleibe Deutschland auf dem aktuellen Klimapfad, so Habeck, sei absehbar, dass 2030 gegenüber 1990 nur eine CO2-Reduktion um 50 Prozent erreicht werde. Die Verpflichtung liegt aber bei minus 65 Prozent.

Um das zu schaffen, muss nach Ministeriumsangaben die jährliche CO2-Minderung von 15 Millionen Tonnen in den 2010er Jahren auf über 40 Millionen Tonnen in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre steigen. Das Tempo der Emissionsminderungen müsse sich zunächst mehr als verdoppeln und dann bis 2030 fast verdreifachen.

Ähnlich bei den erneuerbaren Energien. Ihr Anteil stieg in den letzten 30 Jahren auf gut 40 Prozent am Strommarkt, nun muss er in nur acht Jahren auf 80 Prozent erhöht werden – und das bei steigendem Strombedarf, wie Habeck betonte. Er bezifferte den Strombedarf für 2030 auf 680 bis 750 Terawattstunden. Derzeit sind es 560 Terawattstunden. Besonders bedrückend ist, so der Minister, dass es bei den Erneuerbaren zuletzt in die falsche Richtung gegangen sei. Auch hier müsse der Ausbau in den nächsten Jahren in etwa verdreifacht werden. »Wir müssen dreimal besser sein in allen Bereichen«, fasste Habeck zusammen und liegt damit mit den Zahlen auf der Linie so gut wie aller Studien, die eine den Klimazielen angemessene Energiewende ausrechneten.

Habeck zufolge plant sein Ministerium zwei große Gesetzespakete, ein »Osterpaket« und ein »Sommerpaket«. Die parlamentarische Behandlung könnte zur Sommerpause beziehungsweise zum Jahresende abgeschlossen sein. Dann könnten die neuen Regeln 2023 gelten. Unter anderem kündigte Habeck eine Neuaufstellung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes mit der Abschaffung der EEG-Umlage und erhöhten Ausschreibungsmengen für Solar- und Windkraft an. Den Erneuerbaren soll eine »überragende öffentliche Bedeutung« zuerkannt werden.

Zudem plant er Maßnahmen, um auf bereits genehmigten Flächen schneller Windanlagen errichten zu können. Derzeit können Habeck zufolge Windprojekte mit 8000 bis 9000 Megawatt Leistung nicht gebaut werden, weil dort alte Drehfunkfeuer der Flugsicherung betrieben oder die Flächen militärisch genutzt werden. Darüber hinaus kündigte Habeck für dieses Jahr an, eine Wärmestrategie aufzulegen und das Gebäudeenergiegesetz sowie die Wasserstoffstrategie neu zu fassen. Die Aufgaben seien »gigantisch«, stimmte der Minister auf die kommende Zeit ein. Deutschland stehe vor großen politischen Debatten, speziell zum Verhältnis zwischen den Städten als großen Verbrauchszentren und dem ländlichen Raum. Man dürfe nicht glauben, dass die Energiewende nur eine technische Frage sei, sie greife auch tief in die gesellschaftliche Wirklichkeit ein. Habeck vermied eine allzu konfrontative Sprache. Man müsse gemeinsam lernen, besser zu werden.

Es gehe auch darum, appellierte er, ab und zu über den eigenen Betroffenheitsschatten zu springen. »Solidarität heißt dann auch, dass man sich bereit erklärt, das gemeinschaftlich als richtig Erkannte und politisch Verabredete mitzutragen.«

Auf Nachfrage betonte Habeck, die Nutzung von Gaskraftwerken sei für eine Übergangszeit »unstrittig«. Ab 2035 sei dann die Umstellung von Erdgas auf erneuerbaren Wasserstoff geplant. Nötig sei aber, dafür zu sorgen, dass die Gaskraftwerke auch flexibel geführt werden und nicht wie Kohleanlagen »Tag und Nacht laufen«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.