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Berlin verkehrt mit Potsdam

Regierungschefs vereinbaren Bahngipfel und gemeinsame Kabinettssitzungen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Politik ist für eine Zusammenarbeit das Parteibuch manchmal weniger entscheidend als die Tatsache, ob die Betreffenden persönlich miteinander können. In Berlin und Brandenburg hat es da in der Vergangenheit nicht geholfen, dass die Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Michael Müller auf der einen Seite und die Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und Dietmar Woidke auf der anderen Seite allesamt Sozialdemokraten waren.

Mit der neuen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gibt es aber eine neue Note in den Beziehungen beider Bundesländer. Sie hat wie Ministerpräsident Woidke eine Ostbiografie - das hat es noch nicht gegeben. Ob das den Umgang miteinander erleichtert? Atmosphärisch scheint es jedenfalls zu stimmen zwischen ihnen. Mit »liebe Franziska« und »lieber Dietmar« haben sie sich am Montag angesprochen und hatten auch das eine oder andere Lächeln füreinander, als sie am Nachmittag in der Potsdamer Staatskanzlei über die Ergebnisse eines zweistündigen Antrittsbesuchs von Giffey informierten. »Es ist nicht so, dass wir bei Null beginnen«, sagte Giffey. Sie meinte die Zusammenarbeit beider Länder, hätte das aber auch auf das persönliche Verhältnis münzen können. Sie kennt Woidke schon länger, ist ihm am Montag keineswegs das erste Mal begegnet.

Inhaltlich ist bei dem Besuch in Potsdam noch nicht viel herausgekommen. Dazu soll es voraussichtlich am 29. März eine gemeinsame Kabinettssitzung der Berliner Senatoren und der Brandenburger Minister geben - eventuell in Potsdam. Für September ist dann ein Gegenbesuch in Berlin vorgesehen.

»Wir können nicht in jeder Frage bis ins Detail gehen«, warb Woidke um Verständnis dafür, dass er jetzt noch wenig Konkretes sagen konnte. Über mehr Nachtruhe am Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld sei noch nicht gesprochen worden. Das werde aber noch zu bereden sein, versicherte der Ministerpräsident. Schließlich hatte der Landtag erst neulich beschlossen, dass Brandenburg weiter ein konsequentes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr wünscht. Bisher scheiterte das an Berlin. Darum dürfen Passagiermaschinen nur zwischen 0 und 5 Uhr nicht starten und landen.

Der BER an sich war am Montag durchaus Gesprächsthema, besser gesagt seine Anbindung ans Berliner U-Bahn-Netz. Dazu soll die Linie U7 von Berlin-Rudow aus verlängert werden. Giffey nannte das einen »wichtigen Punkt, bei dem wir die Unterstützung des Bundes brauchen«. Überhaupt sollen Berlin und Brandenburg bei den Themen Verkehr, Wirtschaft und Sicherheit enger kooperieren. Je besser eine Region angebunden sei, umso besser entwickle sie sich, ist Giffey überzeugt. »Das könnte den Berliner Wohnungsmarkt entspannen.« Aber dazu müssten die Pendler gut von A nach B kommen. Die Möglichkeiten sind derzeit noch begrenzt, die Züge, so es denn Verbindungen gibt, im Berufsverkehr proppenvoll. Gemeinsam wollen beide Länder auf die Deutsche Bahn zugehen und mit ihr einen Gipfel organisieren, der sich mit den Pendlerströmen befasst. Obwohl von einem Antrittsbesuch erst einmal wenig zu erwarten war, weckte er doch Hoffnungen.

»Die erfolgreiche Entwicklung Berlins ist ohne ein enges Zusammenspiel mit Brandenburg nicht möglich«, sagte vorher Daniel-Jan Girl, Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). »Nur im Team können beide Länder im internationalen Wettbewerb als nachhaltiger und konkurrenzfähiger Wirtschaftsstandort mithalten.« Deshalb sei es gut, wenn Giffey (SPD) zu Beginn ihrer Amtszeit »den Fokus auf die Zusammenarbeit« lege. Dazu gehöre aus Sicht der Wirtschaft zwingend, eine feste Struktur zu etablieren, »um die Entwicklung der Hauptstadtregion systematisch und gezielt voranzutreiben«. Die IHK wünscht sich ein Management wie es andere Metropolenräume schon seit Jahrzehnten haben.

»Noch zeigen sich an zu vielen Stellen der Ländergrenze die Wachstumsschmerzen der Metropolregion«, ergänzte Carsten Christ von der Arbeitsgemeinschaft der brandenburgischen Industrie- und Handelskammern. Christ erwähnte die seit 30 Jahren immer mal wieder geplante Ortsumgehung von Ahrensfelde und die S-Bahn nach Velten und Falkensee. Auch ein Bekenntnis zur Verlängerung der U-Bahn zum Hauptstadtflughafen BER erhoffte er sich vom Antrittsbesuch Giffeys. Was die U7 betrifft, wurde er nicht enttäuscht.

»Die Zusammenarbeit und Abstimmungsprozesse zwischen Berlin und Brandenburg müssen dringend verbessert werden«, kommentierte Berlins CDU-Fraktionschef Kai Wegner vor dem Treffen. Das sei zuletzt bei den Corona-Maßnahmen deutlich geworden. »Es braucht einen neuen Geist der Gemeinsamkeit«, meinte Wegner. »Die letzten fünf Jahre waren eine verlorene Zeit. Das Aufgabenheft ist prall gefüllt.« Beim Antrittsbesuch Giffeys dürfe es daher nicht nur bei »freundschaftlichen Belanglosigkeiten« bleiben, forderte der CDU-Politiker. Die Regierende Bürgermeisterin müsse mit Ministerpräsident Woidke klare Absprachen treffen. Es gebe viele konkrete Fragen, die schnellstens geklärt werden müssen, etwa den Ausbau von Park & Ride-Plätzen oder die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum auf den Berliner Stadtgütern.

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