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  • Friedrich Merz in der CDU

»... dann können wir nur noch zusehen«

Heinrich Strößenreuther von der Klimaunion fordert von Friedrich Merz eine klimapolitische Erneuerung

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Die CDU-Basis hat sich mit überwältigender Mehrheit für Friedrich Merz als neuen Parteivorsitzenden entschieden. Ist Merz eine gute Wahl?
Ich habe mit Herrn Merz tatsächlich sehr gute Diskussionen zum Thema Energiepolitik geführt. Mehr als drei, vier Workshops im Mai und Juni letzten Jahres. Ich bin überzeugt davon, dass er die energiepolitischen Herausforderungen bestens verstanden hat.

Was erwarten Sie von ihm?
Die CDU hat in den letzten 16 Jahren das Zeitfenster, den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft voranzutreiben, nicht genügend genutzt. Wir sind jetzt in einem letzten kurzen historischen Zeitfenster, in dem wir die Chance haben, das 1,5-Grad-Limit noch einzuhalten und damit eine katastrophale Klima-Kettenreaktion noch aufzuhalten. Als Klimaunion erwarten wir, dass Friedrich Merz die inhaltliche klimapolitische Erneuerung tatsächlich anschiebt. Die CDU muss mit einem glaubwürdigen klimapolitischen Programm aufwarten, das den sauberen Energiemarkt entfesselt, die erforderlichen Industrien dazu aufbaut, Arbeitsplätze schafft und den Mangel an Handwerker*innen in der Solarinstallation und Wärmedämmung angeht.

Interview
Heinrich Strößenreuther ist Unternehmer, Klimaaktivist und ehemaliger Grüner. Er ist Gründungsmitglied der im März 2021 gestarteten Klimaunion, einer CDU-nahen Plattform, die sich für ein klimapolitisches Profil der Partei einsetzt. Die Klimaunion schreibt auf ihrer Homepage, sie wolle »bürgerlichen Menschen« eine »Alternative« zur linken Klimaschutzbewegung bieten. Vor dem CDU-Parteitag sprach Max Zeising mit dem 54-Jährigen.

Friedrich Merz steht dem Wirtschaftsrat nahe. In dessen Präsidium sitzen Vertreter*innen großer Unternehmen wie Fraport und Daimler, die nicht unbedingt als Protagonist*innen einer Verkehrswende taugen. Es gibt Befürchtungen, Merz könnte als Vorsitzender einseitig die Interessen des Wirtschaftsrats vertreten.
Mit Sicherheit wird Herr Merz dem Wirtschaftsrat näher stehen als der Klimaunion. Uns gibt es ja erst seit einem Jahr. Was aber neu ist: dass die Wirtschaft selbst mehr Klimaschutz fordert. Wir hatten letzte Woche ein gutes Beispiel: Nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck sein energiepolitisches Programm vorgestellt hatte, sagte Markus Blume von der CSU, die 10H-Regel (der Abstand eines Windrades zur nächsten Wohnsiedlung muss in der Regel mindestens das Zehnfache der Bauhöhe betragen, Anm. d. Red.) in Bayern solle bleiben. Dem widersprach sofort und ausgerechnet der bayerische Wirtschaftsverband: Nein, da müsse man schleunigst ran. Die Lager verschieben sich gerade in Windeseile.

Warum hat die CDU die Wahl verloren? War Armin Laschet der falsche Kandidat?
Die Umfragen gingen bis Mitte Juli nach oben. Dann kam die Klima-Flutkatastrophe mit über 150 Toten, danach gingen die Zahlen in den Keller. Armin Laschet hat in diesem Moment nicht verstanden, dass man genau jetzt über eine wirksame Klimapolitik sprechen muss. Und dann lacht er auch noch, während gerade viele Menschen ihr Leben gelassen haben und Existenzen zerstört worden sind. Das war der Wendepunkt, an dem viele Wechselwähler*innen gesagt haben: Dieser Kandidat darf die Klimageschicke nicht in die Hand bekommen.

Hat also die CDU deshalb verloren, weil Armin Laschet im Gegensatz zu Merz programmatisch für gar nichts stand?
Das mag ich nicht kommentieren. (lacht) Beim Thema Klima hat er aber zu spät die Zeichen der Zeit erkannt. Wir hätten jederzeit bereitgestanden, nach Düsseldorf zu kommen und das Thema Klima so zu erklären, zu formulieren und aufzubauen, dass man damit hätte Wahlen gewinnen können. Aber der Ruf kam nicht.

Die Ampel will den Kohleausstieg vorziehen, Wind- und Solarenergie ausbauen und die EEG-Umlage abschaffen. Müssten Sie Wirtschaftsminister Habeck da nicht zustimmen?
Was im Koalitionsvertrag zum Thema Klimaschutz steht, ist erforderlich, aber nicht hinreichend. Beispiel Strombedarf: 800 Terawattstunden im Jahr 2030, davon 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, reichen nicht. Wissenschaftler sagen: Wir haben einen Bedarf von 1600 bis 2000 Terawattstunden.

Mehr hat ja auch die CDU nicht gefordert.
Das stimmt. Wir als Klimaunion haben in unserem Argumentationspapier 1666 Terawattstunden stehen, die CDU hat unsere Forderung aber nicht übernommen. Aber wir kämpfen dafür.

Und Sie glauben, dass ausgerechnet Friedrich Merz das jetzt richten wird?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. (lacht) Ganz im Ernst: Mit Herrn Merz hat die CDU in Kürze den einzigen Parteivorsitzenden in Deutschland, der grundsätzlich zu einem maximal noch zu emittierenden Restbudget von 4 Gigatonnen steht.

Das klingt jetzt aber nicht mehr ganz so optimistisch. Ist Ihre Zustimmung zu Merz eher taktischer Natur?
Ich bin überzeugt, dass er die Themen verstanden hat. Jetzt geht es darum, in der Partei eine Gesamtmeinung hinzukriegen. Wir kämpfen dafür, dass die Paris-Lücke geschlossen wird, dass wir eine ambitionierte Klimapolitik in der CDU sehen. Nur mit dieser wird man bei Wahlen bestehen, nicht mit einer Wischiwaschi-Nummer. Das ist die Führungsaufgabe von Herrn Merz, damit Wahlen zu gewinnen – oder zu scheitern.

Wobei Studien zeigen, dass bei der Wahl kein einziges Programm ausgereicht hätte, um das 1,5-Grad-Ziel zu erfüllen.
Deshalb müssen wir in einer starken Kooperation dafür sorgen, die Paris-Lücke zu schließen. Die Ampel wird bestenfalls liefern, was im Koalitionsvertrag steht. Wenn nicht Bundestag, Zivilgesellschaft und Medien immer wieder auf die drängendste aller Fragen hinweisen, dann wird sich in ein bis zwei Jahren das Zeitfenster schließen, in dem wir den Gegenschub noch einleiten könnten. Dann können wir nur noch zusehen, wie sich die klimatische Kettenreaktion in Gang setzt.

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