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Impfpflicht ab 18, ab 50 – oder alles wie bisher?
Zwei altersbezogene Impfpflicht-Vorschläge liegen auf dem Tisch. Daneben gibt es noch die Kubicki-Gruppe, die eine Impfpflicht ablehnt
Für erste Variante machen sich fraktionsübergreifend sieben Abgeordnete aus SPD, Grünen und FDP stark. In erster Linie sind hier die Gesundheitsexperten Dirk Wiese (SPD) und Janosch Dahmen (Grüne) sowie die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu nennen. Man wolle »langfristig mit Blick auf die kommende Herbst- und Winter-Saison vorbereitet« sein und eine »Überlastung des Gesundheitssystems auch in zukünftigen Infektionswellen« verhindern, heißt es in ihrem Papier. Weitere Eckpunkte des Vorschlags: Die Pflicht sollte auf ein bis zwei Jahre befristet sein, für nicht mehr als drei Impfungen gelten und über Bußgelder durchgesetzt werden. Ein Impfregister, wie es die CDU/CSU-Fraktion fordert, sieht Dirk Wiese allerdings aus zeitlichen Gründen vorerst nicht kommen.
Am Dienstag erhielt die Wiese-Gruppe prominente Unterstützung: Die Grünen-Politikerin Ricarda Lang, die sich am Wochenende auf dem Parteitag für den Bundesvorsitz bewirbt, sprach sich für eine Impfpflicht ab 18 aus. »Wir müssen die Beschneidung der freien Gesellschaft durch andauernde Einschränkungen im Alltag abwägen gegen einen Eingriff in die Freiheit des Einzelnen durch eine mögliche Impfpflicht«, argumentierte Lang: »Im Ergebnis komme ich auf eine positive Freiheitsbilanz bei der Impfpflicht, weil sie verhindert, dass wir in immer wieder neue Wellen reinrutschen.«
Gegenspieler der Wiese-Fraktion ist die Gruppe um den liberalen Gesundheitsfachmann Andrew Ullmann, die eine Impfpflicht ab 50 Jahren und eine verpflichtende Impfberatung befürworten. Auch Abgeordnete der Grünen sind an diesem Entwurf beteiligt. Zudem hat FDP-Justizminister Marco Buschmann beim TV-Talk von Anne Will am Sonntag angedeutet, dass er derzeit für eine Impfpflicht ab 50 stimmen würde. Und dann gibt es noch die FDP-Gruppe um Wolfgang Kubicki, die eine Impfpflicht generell ablehnt. Bei der Orientierungsdebatte kommt es nun zum offenen Schlagabtausch zwischen Vertretern dieser drei Vorschläge.
Eine Prognose fällt schwer, auch weil sich die größte Oppositionsfraktion im Bundestag bislang nicht in die Karten schauen lässt. Seit Wochen werfen CDU und CSU Olaf Scholz Führungsversagen vor, selbst anbieten wollen sie aber nichts. Stattdessen fordern sie, die Ampel-Regierung müsse zunächst einen Gesetzesvorschlag unterbreiten. Statt einer Gewissensentscheidung plädieren sie also für den üblichen Weg. Unionsfraktionsvize Sepp Müller (CDU) wollte am Montag zwar nicht ausschließen, dass seine Fraktion einen der Gesetzesanträge zur Impfpflicht unterstützt: »Uns eint das Ziel, dass wir die Impfquote nach oben bringen wollen.« Allerdings kündigten er und Andrea Lindholz (CSU) an, dass sich die Unionsfraktion erst im Laufe der Woche zur Impfpflicht positionieren werde.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, scheint derweil kein großer Freund der Impfpflicht zu sein. Diese könne »nur letztes Mittel sein«, schreibt Korte in einem aktuellen Positionspapier zur Corona-Pandemie. Die Impfpflicht-Debatte sei zwar »legitim, aber dass es sie überhaupt gibt, ist Ausdruck von völligem Politikversagen«, so Korte. Derweil hat sich die Linke-Politikerin Sevim Dağdelen eindeutig gegen die Impfpflicht positioniert: »Immer mehr spricht gegen die Zwangsmaßnahme, immer mehr für Wiederherstellung unserer Freiheit.« Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer warf Dağdelen daraufhin vor, auf »infantile Weise« das Geschäft der AfD zu erledigen. Dieser Zwist ist natürlich in einem Kontext zu betrachten: Dağdelen gehört zum Lager von Sahra Wagenknecht, der in der Impfdebatte eine Nähe zum Querdenkertum vorgeworfen wird.
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