Wie Brandenburger Wärme klimaneutral werden kann

Die einen hoffen auf einen Markt für Wasserstoff, die anderen auf Investitionen in Wärmepumpen

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie kann die Wärmeversorgung einer Stadt klimaneutral werden und bezahlbar bleiben? Sollte in Wasserstoff oder in Wärmepumpen investiert werden? Über »Hemmnisse und Erfolgsfaktoren« diskutierten drei Experten aus Brandenburg am Mittwoch auf der gemeinsamen Fachkonferenz »Energie- und Wärmewende lokal gestalten«, veranstaltet vom Brandenburgischen Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung und dem Verband kommunaler Unternehmen Berlin-Brandenburg.

Mario Ragwitz, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG in Cottbus, spricht sich klar für Wärmepumpen aus. Sie seien drei bis vier Mal effizienter als Gasinfrastruktur. »Wasserstoffversorgung durch Gasnetze wird eine untergeordnete Rolle spielen«, prognostiziert er. Für manche Industrien wie Chemie und Stahl oder für den Schiffsverkehr sei Wasserstoff zwar unumgänglich, aber ein Großteil der Gasnetze müsse umgerüstet werden.

Wie funktionieren die Technologien?

Eine Wärmepumpe nimmt in einem ersten Schritt Umweltwärme aus der Erde oder dem Grundwasser auf. Die Umweltenergie wird auf ein Kältemittel übertragen, das verdampft, und in einem Kompressor verdichtet wird. Dadurch steigt dessen Temperatur. Das erwärmte Kältemittel wird in einem Kondensator wieder verflüssigt und überträgt seine Wärme an das Heizungswasser.

Bei der oberflächennahen Geothermie werden etwa 400 Meter, bei der tiefen Geothermie bis zu 700 Meter tiefe Löcher gebohrt. Durch in den Löchern steckende Rohre wird Wasser von der umliegenden Erdwärme erhitzt, oberflächennah auf bis zu 25, in der Tiefe auf bis zu 100 Grad. Mittels Pumpen wird es wieder an die Oberfläche transportiert.

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Für die Stadtwerke in Brandenburg an der Havel seien Wärmepumpen bislang jedoch wirtschaftlich nicht realisierbar gewesen, sagt deren Technischer Geschäftsführer Gunter Haase. Die Stadtwerke stünden außerdem vor dem Problem, dass die Entscheidung für eine Technologie die Stadt aufgrund deren Lebensdauer auf 20 bis 40 Jahre festlege. »Wir wissen nicht, ob Gas so lange verwendet werden kann«, sagt er. 2016/17 habe die Stadt daher untersucht, welche Abwärme genutzt werden könnte. Da das Potenzial des Brandenburger Elektrostahlwerks Riva nicht ausreiche und nicht stetig zur Verfügung stehe, hätten sich die Stadtwerke für die Wärme einer Müllverbrennungsanlage im nahgelegenen Kemnitz entschieden - obwohl dafür eine 20 Kilometer lange Leitung durch ein Naturschutzgebiet gebaut werden muss. Die Genehmigung habe bis September 2021 auf sich warten lassen, im kommenden Jahr erst könne mit dem Bau begonnen werden.

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Eine weitere Herausforderung sei, dass ein Teil von Brandenburg, der bislang mit Gasinfrastruktur abgedeckt werde, aus denkmalgeschützten Altbauten bestehe und eine gasunabhängige Wärmeversorgung dort nur schwer sicher gestellt werden könne. »Meine Hoffnung ist, dass es irgendwann einen Markt für Wasserstoff gibt, so dass dieser nicht nur eine untergeordnete Rolle spielt«, sagt Haase.

Ragwitz hingegen hält massive Investitionen in die Weiterentwicklung von Wärmepumpen und entsprechende staatliche Förderungen für notwendig. Die Ausbaugeschwindigkeit von Wärmeleitungen müsse eigentlich auf 3000 Trassenkilometer im Jahr verdreifacht werden und die Rate energetischer Sanierungen von ein auf drei Prozent steigen. Dann müsse sich aber auch die Anzahl der Baufirmen verdreifachen, wendet Haase ein - und das sei aufgrund des Fachkräftemangels schwer realisierbar.

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Frank Kabus, Geschäftsführer der Geothermie Neubrandenburg GmbH, sieht für Brandenburg gute Potenziale in der Geothermie. Im Norddeutschen Becken sei der Untergrund aufgrund von Sandsteinpaketen optimal und stelle, anders als in Süddeutschland, kein geologisches Risiko dar. Im Norden könnten Temperaturen von 70 bis 80 Grad genutzt werden. »Geothermie ist eine risikofreie Technologie, die permanent zur Verfügung steht«, sagt er. Allerdings seien Informationsvermittlung und Voruntersuchungen an geeigneten Standorten noch nicht weit genug fortgeschritten. Ein weiteres Hemmnis sieht er im Genehmigungsrecht, da Geothermie dem Bergrecht unterliege und die Verfahren in diesem Bereich drei bis fünf Jahre in Anspruch nehmen könnten.

Letztlich sei klar, so Ragwitz, dass zwar »klare Leitplanken auf Bundesebene« notwendig seien, die Kommunen aber individuell entscheiden müssten, wie eine klimaneutrale Wärmewende vor Ort umgesetzt werden kann.

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